Rose
weg. Die Kamera war ein hochentwickeltes Gerät, nicht viel größer als eine Knopfbatterie. Die Sendeleistung war zwar sehr gering, doch darauf kam es Michael überhaupt nicht an. Sie musste keine Bilder senden, sie war einzig und allein dazu da, Vincent Angst zu machen. Das würde er mit diesem Streich erreichen. Er schob die Minikamera in den Augapfel und so weit vor, dass die Linse von der Kamera und die Pupille auf gleicher Position waren. Er fixierte sie mit Watte, die er um sie herumlegte, immer darauf bedacht, dass das Auge seine natürliche Form beibehielt.
Dann drehte er das Auge um und schnitt um die Pupille herum, so dass die Linse der Kamera frei lag. Er reinigte die Linse unter einer Lupe, denn sie sollte ja schöne Bilder machen. Aus einem Schächtelchen, das auf seinem Schreibtisch lag, holte er eine Kontaktlinse heraus. Diese hatte ihm Jaqueline überlassen. Und nicht nur das, ihr Fuß lag noch im Kühlschrank, den würde er auch mitnehmen, denn einzig die Kontaktlinse war Michael zu wenig, und außerdem wollte er Vincent eine Nachricht zukommen lassen.
Das Gute war, dass Jaqueline nicht wirklich gut sehen konnte und deshalb eine doch recht starke Dioptrienzahl hatte. Somit würde sich das Bild, das die Kamera sendet, dementsprechend größer ausfallen. Er befeuchtete das Auge mit einem Wattestäbchen und legte die Kontaktlinse auf. Sie saugte sich gleich am leblosen Auge fest. „Hervorragend!", freute sich Michael.
Er wandte sich nun dem Nervenstrang zu, denn er musste noch die Stromversorgung einbauen und die Antenne. Die Batterie war so groß wie ein Streichholz und somit war es sehr einfach, sie in den Strang zu schieben, es war nur ein bisschen fummelig, sie an die Kamera anzuschließen, denn er musste aufpassen, dass sie nicht wieder verrutschte. Mit Pinzette und Lupe gelang es ihm, die empfindlichen Anschlüsse zu verbinden. „Puh, das war gar nicht so einfach." Michael musste sich seinen Schweiß von der Stirn wischen, so sehr hatte er sich konzentriert. Die Antenne war die nächste Herausforderung, auch sie musste an die Kamera angeschlossen werden, doch auch das meisterte er mit Geschick und ruhiger Hand.
Nun nahm er einen Pappbecher und füllte ihn zu dreiviertel mit Papiertüchern, die er vorher befeuchtet hatte. Er nahm eine Küchenpalette, schob sie vorsichtig unter das Auge und ließ es in den Becher auf die Tücher gleiten. Noch ein paar feuchte Tücher obenauf und fertig war sein sehendes Auge. „Oh, Mann, schon 04:13 Uhr, jetzt aber los.“ Die vier Stunden, die er für die Bastelei gebraucht hatte, waren wie im Fluge vergangen. Er packte die beiden Arme von Paul, den Fuß von Jaqueline mit der Nachricht und den Pappbecher in seinen Rucksack.
Der letzte Nachtbus war schon weg gewesen, also musste er mit der S-Bahn fahren. Die S47 von Spindlersfeld war am nächsten dran und sie hielt auch direkt am Tempelhofer Park. Von dort aus musste er sich nur Zugang zum Park verschaffen, was aber nicht gerade schwer war, denn es war ja nur ein Park, zwar bewacht, doch die Typen von der Security konnte man nun wirklich nicht als Bedrohung sehen.
Damals, als es noch ein Flughafen war, war es noch etwas anderes. Es dauerte keine 15 Minuten, da stand er schon mitten im Park. Er legte das Auge auf die Wiese und drapierte die Nerven und Adern um das Auge herum.
„Was guckst du denn so?“, scherzte er noch. Den Fuß legte er einfach auf die Wiese und steckte den Zettel hinein. Der Park hatte einen abgetrennten Teil, der unter Naturschutz stand, dort konnten seltene Vogelarten im hohen Gras ungestört ihre Eier ausbrüten, und genau in diesem Gras versteckte er die beiden Arme.
„Jetzt aber ab nach Hause." Michael schlich sich vom Gelände und fuhr mit der S-Bahn wieder heim. Er duschte noch und legte sich danach sofort ins Bett. Es dauerte nur wenige Minuten, dann schlief er zufrieden ein.
Tempelhofer Park II
Marcus zeigte auf die Pupille und sagte: „Da ist eine Kamera drin!" Vincent konnte nicht glauben, was er hörte.
„Wie - eine Kamera? So eine kleine gibt es doch gar nicht."
Marcus schaute Vincent verständnislos an „Wenn ich es dir doch sage, hier im Auge ist eine Kamera, ich kann genau die Linse sehen." Vincent wollte gerade selbst noch mal nachschauen, da spürte er schon wieder, dass er festgehalten wurde.
„Man, Tommy, was soll das?"
„Vincent, denk doch mal nach! Das will er doch nur. Du kannst die Kamera auch später noch begutachten, wenn Marcus sie ausgeschaltet
Weitere Kostenlose Bücher