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Rosenmörder (German Edition)

Rosenmörder (German Edition)

Titel: Rosenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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hinterhergepfiffen, und sie hatte ihnen zugewinkt,
anstatt wie üblich das Gesicht zu verziehen, wenn Felix neben ihr saß.
Vermisste sie es schon so sehr, bewundert zu werden, dass sie fragwürdige
Komplimente von wildfremden Menschen annehmen musste?
    »Hast du mir nichts anderes über Kosmos zu sagen?« Er versteckte die
Arme hinterm Rücken und sah sie fragend an. »Hast du was mit ihm?«
    Ihm graute vor der Antwort, die ihn erwarten könnte. In seinem Kopf
bestand nicht der geringste Zweifel, dass die Blicke, die Nadeschda oft mit
Kosmos wechselte, nicht von ungefähr kamen. Er hatte es lange verdrängt. Nun
wollte er Gewissheit haben.
    Nadeschda – seine Nadjuscha! – vor ihm wurde puterrot. Ihr
weicher, samtener Teint, den er immer bewundert hatte, verfärbte sich
schlagartig. Er war überrascht, den Schimmer einer Träne in ihrem Auge zu
sehen.
    Du bist wunderschön, wollte er sagen. Doch er ließ sich nichts
anmerken. Er blickte drein, als fiele ihm ihre Veränderung nicht auf.
    Seine Nadjuscha. Wie er sie liebte. Sie hatten sich bei einem
Klavierkonzert kennengelernt, das er in St. Petersburg gegeben hatte.
Variationen über Bizets Carmen-Suite. Sie war damals Model gewesen, und er
hatte von ihr gehört. Sie erschien ihm sehr schön auf eine zarte, etwas
farblose Art. Später standen sie zusammen an der Bar, tranken Champagner und
unterhielten sich über Musik. Ihre blasse, unberührbare Schönheit verschwand
mit einem Mal, ihre Augen blitzten, sie warf den Kopf zurück, ihr Körper
zitterte vor Gefühl, und sie war wie verwandelt, wenn es um Carmen ging. Sie
war fasziniert von der Figur und der Musik, und auf ihrem späteren Lebensweg
schleppte er sie in jede bessere Carmen-Vorstellung, die irgendwo auf der Erde
aufgeführt wurde. Mailand, New York, Barcelona, London, sogar Oslo. So kamen
sie nach München und nach Bayern und nach Oberbayern.
    Über eine Woche fuhren sie planlos umher, bevor sie das
Grattenschlösschen für sich entdeckten. Die sauberen grünen Felder in der
Region, die adretten Häuser in den Dörfern mit ihrem Geranienschmuck,
plätschernde Brunnen mit Blumenbeeten drum herum, das braungefleckte Vieh auf
den Weiden, die blaugrünen Seen mit unzähligen Tupfen weißer Segelboote –
das alles war ihnen wie ein Paradies erschienen. Ganz anders als in den dünn
besiedelten Provinzen Russlands rund um Moskau. Verkümmerte Bäume, endlose
Steppen, elende, im Schnee begrabene Dörfer, bleigrauer Himmel, bitterkalter
Wind, gefrorene, sumpfige Felder mit Eispfützen und reifüberzogenen
Grasbüscheln, sich in die Unendlichkeit dahinwindende Straßen – das waren
Erinnerungen Gubkins an sein Geburtsland. Irgendwo südlich von Rosenheim hatten
sie in einem kleinen Biergarten gesessen, warm in der Sonne, und doch in
Blickweite schneebedeckter Berge, die zum Himmel griffen. Nadeschda hatte einen
Cappuccino vor sich und ein Stück Kuchen, er ein Weißbier und eine Butterbreze.
Sie sahen sich an und dachten: Hier müssen die Menschen wirklich glücklich
sein. Dies war der Beginn der Reise gewesen, an deren Ende sie schließlich im
Priental sesshaft wurden.
    Jetzt, in seinem U-Boot, stellte er noch einmal die Frage, die ihm
schon lange auf der Zunge gelegen hatte. Ein qualvolles Gefühl machte sich in
ihm breit.
    »Hast du was mit ihm?«
    Nadeschdas Wangen hatten wieder ihre normale Farbe angenommen. Er
konnte sehen, wie sie tief durchatmete. Er fragte sich, was sie wohl von ihm
dachte.
    Nadeschda Gubkinowa gab keine Antwort.
    Er richtete den Blick auf sie, doch sie starrte ins Leere.
    Würde sie den gleichen Tod wie Bizets Carmen erleiden?
    Nein.
    Vorerst nein.
    Nicht sie.
    An diesem Morgen beschloss Felix Iljitsch Gubkin, wo und wie er
Kosmos töten würde. Der Plan dazu hatte bereits Form angenommen.
    »Agnessa, wer war die Frau?«
    Es war nicht unbedingt gebräuchlich, dass Kosmos das Wort an die
Haushälterin richtete. Doch immerhin war Agnessa auch ihm gegenüber zur
Verschwiegenheit verpflichtet.
    »Besuch der Herrin. Warum fragst du sie nicht selbst?«
    »Ja, gut, wo ist sie?«
    »Spricht mit dem Herrn.«
    Kosmos fiel auf die Knie. »Agnessa, mein Täubchen. Ich hab nur eine
einfache Frage an dich gerichtet. Ich will dich nicht aushorchen, ich will
nicht wissen, was gesprochen wurde, und nicht wissen, wann die junge Dame
Geburtstag hat. Ich bin einfach neugierig. Neugier zwischen Freunden. Also,
bitte sag mir, wer die junge Frau war.«
    Er schielte auf ihre schwarzen Halbschuhe. »Dann

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