Rosenmörder (German Edition)
seinem Vater. Er verehrt ihn wie einen
Heiligen.«
Ottakring hatte genau zugehört. Er hatte Gubkins Bild genau vor
Augen. Doch im Moment wusste er nicht so recht, was er mit der neuen Erkenntnis
anfangen sollte.
ACHT
Ottakring blieb genervt, er konnte nichts dagegen tun. Und
so beschloss er, Lola anzurufen.
»Hättest du Lust, heute Mittag mit mir essen zu gehen?«
»Wenn ja, warum und wohin?«
Seine Frau war offensichtlich guter Laune. Das passte. Dann war sie
auch in der Lage, ihn aufzuheitern.
»Ich hol dich ab. Wenn du mit dem Dienstwagen vorliebnehmen willst.«
Als er in den Hochriesweg einbog, stach ihm von Weitem schon der
grüne Pulli des Pistolnik-Knaben ins Auge. Er verlangsamte das Tempo. Er sah
den Jungen ans Fenster der unteren Wohnung klopfen und etwas hineinrufen.
Sekunden später stand der stiernackige Pistolnik im Trainingsanzug neben seinem
Sohn und winkte dem Kriminalrat zu.
Ottakring bremste, fuhr die rechte Scheibe herunter und beugte sich
hinüber.
»Was ist? Wollen Sie mir etwas sagen?«, fragte er.
»Tut mir leid, dass waren uncheflich zu Ihnen. Ich habe nicht
gewusst, dass Sie Polizei sind.«
»Wollen Sie damit zugeben, dass Sie es waren, der sich an meinem
Eigentum zu schaffen gemacht hat? An meinem Auto, meinem Haus? Ha?«
Ottakring stieg aus und ging um den Wagen herum. Eine leichte
Nervosität machte sich breit. Er steckte sich eine Zigarette an.
Der Junge wich zurück und stellte sich hinter seinen Vater.
Pistolnik tat erschreckt. »Nix zugeben. Ich werde nur grießen,
zukinftig, wollte sagen.«
»Passen Sie auf, dass Sie nicht enden wie Ihr Kollege Lenya.«
Der Junge kam hinter dem Rücken des Vaters hervor und streckte die
Zunge heraus.
Am liebsten wäre Ottakring hingegangen und hätte ihm ein paar
bayerische Watschn runtergehauen. Doch er zuckte die Achseln, warf sich wieder
in sein Dienstfahrzeug und knallte die Tür zu. Er hatte Besseres vor.
Ganz bedeutungslos war der Vorfall jedoch nicht. Ein Gedanke begann
in seinem Kopf zu reifen, gerade als er merkte, dass die Zigarette noch an war.
Obwohl er sich geschworen hatte, niemals – niemals! – in
geschlossenen Räumen und im Auto zu rauchen. Er hielt an, drückte die Zigarette
mit der Schuhspitze aus, hob sie auf und warf sie in eine Mülltonne.
Er parkte nah am Zaun. Die Pistolniks waren verschwunden.
Lola kam freudestrahlend aus dem Haus.
»Woher hast du es gewusst? Mich sofort zum Essen einzuladen.«
Ottakring beschlich sofort ein schlechtes Gewissen. Er hatte keine
Ahnung, wovon Lola sprach. Die Antwort blieb er schuldig.
»Gehen wir?«, sagte er stattdessen.
»Stell dir vor, ich kann morgen die Klappe abnehmen. Für hoffentlich
immer. Hat dich der Arzt denn auch verständigt, dass ich bald wieder arbeiten
kann? Die Laborwerte sind absolut im grünen Bereich.«
Er kniete sich vor sie hin, legte voller Glück die Hände um ihre Taille
und presste den Kopf an ihren Bauch. Einen Anlass, Lolas Irrtum zu korrigieren,
konnte er nicht erkennen.
»Sagenhaft! Ich freu mich so. Richtig feiern müssen wir das ein
andermal. Heute Mittag geht’s nur spontan. Ich muss wieder zurück.« Er stand
auf. »Was hältst du vom Fischer am See?«
Sie fuhren eine gute Viertelstunde zu der Gartenwirtschaft in
Prienling am Chiemsee. Aschbach selbst hatte außer der teuren Winslets Residenz
nichts zu bieten. Sie nutzten die Mittagssonne, um am Wasser zu sitzen. Zwei
Möwen in Fast-Gänsegröße standen ganz in ihrer Nähe mit beiden Beinen im
Seichten und balgten sich um einen Brocken. Draußen konnten sie die Jollen
beobachten, die ihre letzten Runden drehten, bevor sie in den Winterschlaf
geschickt wurden.
»Und das hat der Arzt wirklich gesagt?«, begann Ottakring noch
einmal. »Dieser Ekehard? Und was lässt dich glauben, dass du einfach so mir
nichts, dir nichts wieder arbeiten kannst?«
Lola schnitt eine majestätische Grimasse. »Ich habe immer schon die
Fähigkeit besessen«, sagte sie, »mich so zu überschätzen, dass ich die Kraft
habe, Dinge zu tun, die ich eigentlich gar nicht kann.«
Er warf ihr einen aufmerksamen Blick zu und dachte eine Weile über
das Gesagte nach. Als er es kapiert hatte, lächelte er und erzählte, während
sie auf ihren Waller im Wurzelsud warteten, von der Begegnung mit den
Pistolniks.
Bestürzt sah Lola auf. »Leg dich bloß nicht mit denen an. Die kennen
kein Pardon.«
»Ich auch nicht«, sagte Ottakring und beendete damit die Diskussion.
Er war in Gedanken.
»Was hast du?«,
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