Rosenmörder (German Edition)
fragte sie. »Du wirkst bedrückt. Eigentlich haben
wir doch Grund zu feiern.«
Er beichtete ihr sein Verhalten in der Besprechung vom Vormittag. Es
hörte sich an wie ein Geständnis.
»Ich hab die beiden ganz cool zu Sau gemacht, den Bruni und die
Tordarroch. Dabei bin ich ihnen dankbar für ihre gute Arbeit.«
Er berichtete von Max, der jugendlichen Ausgabe von Herrn Huber, und
seinem Herrn, dem Schriftsteller. Und von Brunis Recherche, die Explosion des
Lada sei durch ein Handy ausgelöst worden. Genau wie die Explosion in Herrn
Hubers Magen.
»Diese Assoziation hat mich wohl in den emotionalen Ruin getrieben.
Ich …«
»Ach, jetzt mach dir doch keinen Kopf über solche Kleinigkeiten.
Deine Leute im Dienst sind andere Kaliber gewohnt.« Lola konnte sich königlich
über ihr Sensibelchen amüsieren. »Endlich haben sie mal wieder den Ottakring
erlebt, wie er wirklich ist: Mit Ecken und Kanten.«
»With
edges and corners« ,
flüsterte Ottakring.
Sie aßen den Fisch mit viel Genuss. Lola hob ihr Achtel Veltliner
und prostete Ottakring zu.
»Ich möchte wissen, was wirklich in deinem Kopf vorgeht«, sagte sie.
»Dienstgeheimnis«, sagte er und legte seine Hand auf ihre Hand.
Er liebte Lola wie keine Frau zuvor. Doch in seinem Inneren kochte
die Wut und suchte sich ein Ventil. Womöglich ihr zuliebe.
NEUN
Juri Pistolnik schließt die Seitentür vom Hausflur zur
Garage auf. Eine brennende Zigarette steckt im linken Mundwinkel. Er will
einkaufen fahren und Geld ausgeben. Er wird’s nicht für sich persönlich
ausgeben. Sein Sohn hat bald Geburtstag. In der Garage ist es dunkel. Seltsam.
Gestern hat das Licht noch funktioniert. Er muss es bei Gelegenheit richten.
Jetzt will er los. Die schwere Tür des Landrover knarrt in den Angeln. In Juris
Ohren ein wohltuender Klang. Einer, der Erinnerungen wach werden lässt.
Kalt hier drin und dunkel, denkt er noch, bevor etwas auf ihn
einfällt. Greifarme wie Enterhaken schlingen sich um seinen Hals, riesige Hände
legen sich um sein Gesicht und drücken es so bestialisch in den
nikotinverseuchten Ledersitz, dass ihm der Atem wegbleibt. Es zischt, als sich
die Zigarettenglut in seine linke Wange brennt. Eisenklammern legen sich um
sein Kinn und wollen es aus dem Kopf pressen. Ein Schmerz explodiert in der
unteren Gesichtshälfte und driftet nach Süden weg.
Ein Vorführgerät in seinem Kopf geht an. So muss sich Kosmos gefühlt
haben, als er ihm im Auto die Garrotte um den Hals schlang und zuzog. Die
Bilder drängen aus dem Nichts in seine Vorstellung, als der Druck ein wenig
nachlässt und der Blutstrom ins Gehirn zurückkehrt. Er hätte es nicht getan,
wenn Gubkin ihn nicht gezwungen hätte. Gubkin hat ihn komplett in der Hand. Der
Schmerz kommt wieder über ihn. Am liebsten möchte er schreien, wenn er könnte.
Sekunden später findet er sich auf dem Garagenboden, ummantelt von
Klebeband. Die Arme mit Klebeband an den Seiten befestigt, Klebeband um beide
Knöchel, eine Hülle aus Klebeband um den gesamten Kopf. Nur die Nasenlöcher
sind frei. Dann wird er unsanft zwei Meter weit geschleift. Mit dem Gesicht
nach oben schlägt er auf und versucht, sich in aussichtloser Panik zu krümmen
und zu winden.
»Kämpfe nicht dagegen an, Pistolnik«, hört er eine Stimme über sich
sagen. »Dein Atem funktioniert nur durch die Nase. Konzentrier dich darauf.
Wenn du dich weiter so wehrst, wirst du ersticken.«
Juri hat noch nicht begriffen. Er versucht, zu strampeln und sich zu
wehren. Erstickte, dünne Laute kommen von tief unterhalb der Schicht aus
Klebeband.
»Mach nur weiter so«, hört er aus der Ferne. »Der Durchfluss deiner
Atemluft hält sich in Grenzen. Du bekommst gerade so viel Luft, um dich bei
Bewusstsein zu halten. Nicht genug, um dich mit mir anzulegen. Außerdem würde
das nicht klappen. Sei froh, dass ich Klebeband benutze. Die Polizei würde für
so etwas Handschellen benutzen, aber Klebeband ist wesentlich humaner. Nur mit
Handschellen gefesselt würdest du schreien, ich würde dir dafür die Fresse
polieren. Sogar beißen könntest du. Hast du gewusst, dass ein Menschenbiss
tödlicher sein kann als ein Hundebiss? Ein beißender Mensch ist gefährlicher
als ein Rottweiler. Weißt du überhaupt, was ein Rottweiler ist? Nein? Aber
einen Pitbullterrier kennst du doch, oder? Na, siehst du, wovor ich dich
bewahre. Du bist auch schon ein wenig ruhiger geworden.«
Mit Schrecken muss er an Kosmos denken. Kosmos war in weniger als
einer Minute tot gewesen.
Weitere Kostenlose Bücher