Rosenmörder (German Edition)
Versuchte auch zu kämpfen, zuckte dann nur mehr,
zitterte und sackte weg wie ein eingeschläferter Hund. Erledigt. Juri will
nicht, dass es ihm auch so geht. Er bleibt einfach liegen. Wenn er nur wüsste,
wer der Kerl ist und was er will.
»So ist’s gut. Du hast verstanden. Komm her.«
Sein Kopf wird wieder umklammert. Er wimmert leise. Luft entweicht
zischend durch die Nasenlöcher. Er merkt, wie sich seine Blase leert und das
Zeug die Oberschenkel hinabkriecht. Er spürt, wie ein Streifen abgerissen wird.
Ein Auge ist frei. Er kann sehen.
Verschwommen kann er eine Männergestalt erkennen, deren Kopf mit
einer Balaklava vermummt ist. Kein Mundschlitz, nur Augenlöcher. Ein Ungeheuer
mit glühenden Augen und wahrscheinlich gefletschten Zähnen. Die Monsterhände
stecken in Gummihandschuhen. Juri riecht seinen eigenen Urin.
»Das kann passieren«, sagt der große Mann über ihm leichthin. Der
Stoff, durch den die Worte kommen, macht die Aussprache undeutlich. »Wenn du
nicht entspannst, Pistolnik, kommt der Schließmuskel an die Reihe. Aber sieh
dich vor! Ich lass dich deine eigene Scheiße fressen, wenn du das tust! Der
Pissegestank reicht mir.«
Juri inhaliert vorsichtig durch die rotzverschmierten Nasenlöcher.
Als wenn er Luft durch einen Strohhalm atmet.
»Wenn dich dein Sohn so sehen würde«, kommt es aus der Balaklava.
»Der hätte Respekt vor seinem Vater. Apropos Sohn. Was hieltest du
beispielsweise davon, wenn wir den mit einem Pitbull zusammen in einen Käfig
sperren? Du weißt ja, was ein Pitbull ist, hast du gesagt. Das wär doch eine
Riesengaudi, wie sie hier in Bayern sagen. Dein Söhnchen in seinem niedlichen
grünen Pulli mit einem schwarzbraunen Pitbull in einem Käfig? Wär doch eine
interessante Farbkombination. Na, wie gefiele dir das, Pistolnik? In einen
geschlossenen Käfig, mit Lautsprechern, voll hochgetunt? Wie gesagt, nur
beispielsweise. Ich kenne noch andere nette Spielchen mit kleinen Kindern.«
Juri ist bei allem Entsetzen froh, dass sein Schließmuskel funktioniert
und nicht defekt ist. Sein Atem tritt leise und stoßweise aus dem Untergrund
der Beschichtung hervor.
»Pass auf. Ich schlag dir ein Geschäft vor. Du sagst mir, wer die
Sachen von dem Polizisten da drüben, von dem Ottakring, beschädigt hat. Wer
sein Auto zerkratzt, die Haustür zerschossen hat, um nur eine Auswahl zu
nennen. Und – jetzt hör zu, du beschissenes Arschloch – du sagst mir,
wer seinen Hund getötet hat. Wer das Handy bedient hat, mit dem der Hund in die
Luft gesprengt wurde. Und wer der Frau Ottakring so große Angst eingejagt hat.
Das alles will ich von dir wissen, du Hurenfurz. Du wirst mir jedes Detail
nennen. Jedes winzige, kleine Körnchen Wahrheit. Und solltest du etwas anderes
sagen als die gottverdammte Wahrheit, dann – ich schwör’s dir – werd
ich deinen Sohn in die Luft sprengen. Ihn einen Chip mit dem Empfänger fressen
lassen und den Sender mit dem Handy auslösen.«
Juri sieht, wie die riesige, dunkle Gestalt von oben auf ihn
zukommt. Erst der Beton unter ihm bremst den Fall seines Gesichts. Dann spürt
er eine stählerne Klammer im Nacken.
»Okay, bereit? Vielleicht fällt dir auf, dass ich große, starke
Hände habe. Und du ein sehr schmales, schwaches Genick. Wir testen mal kurz.«
Juri will schreien vor Schmerz, aber es geht nicht. Der erstickte
Schrei geht über in einen Hustenreiz, doch husten kann er auch nicht.
Schließlich spürt er den Drang, sich zu übergeben. Doch auch das geht nicht.
Der Riese über ihm lacht triumphierend. »Dir bleibt die Kotze im
Hals stecken, nicht? Ein gutes Gefühl.«
Der Druck lockert sich.
»Das war ein kleiner Vorgeschmack auf das, was dich erwarten kann.
Ich werde jetzt das Klebeband ein wenig lockern. Damit du reden kannst.
Solltest du schreien, werde ich allerdings sehr stark zudrücken. Mit beiden
Händen.«
Das Band über der unteren Gesichtshälfte wird vorsichtig abgeschält.
Juris Magen und das, was sich in der Speiseröhre gestaut hat, schießen ins
Freie, begleitet von einem irrsinnigen Geräusch, einer Mixtur aus Würgen und
Angstgeschrei.
Sofort wird sein Mund wieder zugeklebt.
Der Mann wechselt die Handschuhe, schließt die Innentür zum Haus ab,
durch die Pistolnik eingetreten ist, und ringt selbst nach Luft.
»Nun gut«, sagt er. »Nehmen wir uns einfach Zeit.«
ZEHN
»Ich hab mich selten so unwohl gefühlt, Alterchen.
Penelope hat angerufen. Stell dir vor – Penelope! Ich hatte gedacht, ich
könnte die
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