Rosenmörder (German Edition)
großer Mann! An
den Namen muss er sich erst noch gewöhnen. Ehre, wem Ehre gebührt. Während das
Schiff auf die Herreninsel zusteuert, stellt er sich vor, was er mit dem
Mordsbatzen Geld machen wird.
Was soll schon passieren? Er kennt jeden Meter der Insel, jedes
Haus, jeden Garten, die Speisekarte jeder Wirtschaft, kennt die Namen fast
aller Boote. Vor Jahren hatte er mit der Äbtissin von Frauenwörth ein paar
Gläser des Wildfruchtlikörs getrunken, den das Kloster nach eigenem Rezept
herstellt, und verschwommen hat er sogar noch im Sinn, wann die Schwestern ihre
Rundgänge machen. Die Position, von der aus Gubkins Ex – Penelope! Was für
ein Name – mit Gubkin telefoniert hat, liegt auf dem inneren
Klostergelände, plus/minus zehn Meter. » GPS -Koordinaten
sind unbestechlich«, hat Gubkin betont. In welcher Funktion Penelope sich dort
aufhält, ist natürlich unklar. Fest steht lediglich, dass außer den Schwestern
und der Äbtissin sonst niemand Zutritt hat.
Das Schiff hatte am Anlegesteg der Herreninsel kurz festgemacht.
Etliche Passagiere waren aus-, nur zwei waren zugestiegen. Nun halten sie
ostwärts auf die Fraueninsel zu, machen einen Schlenker nach Süden und legen
unweit des Klosters, der Kirche und des Lindenwirts an.
Puschkin setzt den Fuß auf festen Boden. Es ist halb neun. Seine
Hand umklammert die Plastiktüte. Es soll sein erster Mord werden.
ELF
Die Augenklinik befand sich in unmittelbarer Nähe des
Rosenheimer Bahnhofs. Eine abscheuliche Gegend, aber eine gute Klinik, musste
Ottakring denken, als er die zwei Treppen zur Praxis emporstieg. Es war Freitag
kurz vor Mittag, und Lola sollte fertig sein. Doch Zeitvereinbarungen in
Arztpraxen, die eingehalten werden, haben Seltenheitswert. Als er die
neunzehnte Illustrierte sorgfältig studiert hatte, hörte er die schnarrende
Stimme des Chefarzts, und mit ihm bog Lola in den Patientenbereich ein.
Seine Lola. Sie strahlte, so wie er sie vom Fernsehen kannte.
Freudentränen schimmerten. Sie breitete die Arme aus, und er huschte hinein.
»Hähähä«, meckerte der renommierte, schnauzbärtige Professor
Ekehard.
»Komm, ich geb einen Kaffee aus. Und heute Abend gibt’s Champagner«,
versprach Lola, als sie unten waren. Ihr brauner Pagenschnitt bewegte sich im
Wind. Das peppte die Glanzlosigkeit dieses Herbstmorgens sofort beträchtlich
auf.
Sie gingen ins Giornale, sein Stammlokal aus der Zeit, als er noch
in der Papinstraße wohnte. Lang war’s noch nicht her.
Um diese Zeit war nicht viel Betrieb.
»Lass uns kurz draußen bleiben, dann kann ich eine rauchen.«
Lola lächelte schmal.
Sie stellten sich an einen der lackierten Bistrotische, und
Ottakring fischte eine Zigarette heraus. Er nahm einen tiefen Lungenzug,
hustete und sah besorgt aus.
»Ich muss dir was sagen«, meinte er, nahm seine Ehefrau an den
Hüften und bugsierte sie zu einem der hinteren Tische.
Sie bestellten zwei Cappuccino und ein Mineral.
Ottakring nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie auf die
Spitze ihrer Stupsnase. Dann korrigierte er sich und traf den Mund.
»Ich bin richtig so etwas wie glücklich«, sagte er leise, so als ob
er sich geniere, das zu sagen. »Dass du geheilt bist. Ich kann den Namen dieser
saublöden Infektion gar nicht mehr hören. Endophthalmitis. Das war das letzte
Mal, dass ich ihn ausgesprochen habe. Jetzt ist alles wieder gut.«
»Was musst du mir sagen?«, fragte Lola. Ihre blauen Augen funkelten.
Er beugte sich zu ihr.
»Hat mit meinem Dienst zu tun«, begann er. »Aber ich denke, dich
interessiert’s. Unsere Mordserie scheint gelöst.«
In wenigen Worten erläuterte er noch einmal die Fakten, die sie
ansatzweise schon kannte. Bis er ihr breites Lächeln registrierte. Ottakring
las aus diesem Lächeln heraus, dass seine Mördergeschichten bei ihr auf ebenso
viel Aufmerksamkeit stießen wie bei ihm die Verkabelung ihres Aufnahmestudios.
Sie wollte den Augenblick genießen und nur glücklich sein.
Er betrachtete sie lange mit ernstem Gesicht. Ihren schönen Hals und
das braune Haar. Ihr Lachen, wie ein Sonnenaufgang in den Bergen. Ihre Augen,
die so klar waren, dass ihm die Luft weggeblieben war, als er sich das erste
Mal in sie versenkt hatte.
Das erste Mal. Er hatte Lola Herrenhaus in der Münchener
Stadtbibliothek im Gasteig kennengelernt, als sie fünfunddreißig war. Doch sie
verloren sich aus den Augen. In jenen Jahren arbeitete sie für die Süddeutsche
Zeitung, bekam aber kurz nach ihrem Kennenlernen eine
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