diesen Kosmos gesprengt hat oder sprengen hat lassen, ob wir den
in Rekordzeit finden oder wir ihn irgendwann mal festsetzen? Er tut uns
schließlich nicht mehr weh. Im Übrigen hab ich das Gefühl, dass Gubkin
irgendwie kräftig mitmischt. Oder mitgemischt hat. Ich möcht das endlich klären.
Die Frage ist nur: Wie packen wir ihn? Hat da jemand eine Idee?«
Von der Tür zum Flur, die Schuster offen gelassen hatte, zog es kalt
herein.
Zurück in seinem Büro fand Ottakring auf seinem PC eine cc-Mail vor, die informativ an ihn gerichtet
war.
[email protected] to
[email protected] Geehrte KollegInnen,
im Rahmen von
Amtshilfe bitte ich um folgende Auskunft:
Liegt im
Zusammenhang mit Frau Penelope Modrow, geboren 04071975, zuletzt
wohnhaft in Halle, Saale, ein Vorgang vor? Abmeldung Hauptwohnung 14. März
2008.
Frau Modrow hält sich zur Zeit als Ordenssschwester in der Abtei Frauenwörth,
Gemeinde Chiemsee, auf.
Freundliche Grüße
nach Halle Schuster, PolDir
DREIZEHN
Der Wimmerl Herzland war ungefähr ein Viertel so alt wie
sein blumenumranktes Reetdachhaus an der Ostseite der Fraueninsel. Der Wimmerl
hatte das Haus und ein kleines Vermögen geerbt und seither nichts Rechtes mehr
gearbeitet. Er sah älter aus als fünfundvierzig, war mittelgroß und schwer und
schlaff, eine Bierkutscherfigur. Die Jahre hatten an ihm gezehrt, doch nicht in
Form von Plackerei und Mühsal. Eher aufgrund von Faulenzen, dicken Sahnesoßen,
Knödeln und ein paar Obstlern am Tag. Das mausgraue Haar war dünn und ohne
Glanz und von der Seite her nach oben gekämmt, wahrscheinlich, um eine
ausgeprägte Platte zu kaschieren. Alles, was er an Bewegung hatte, waren hie
und da ein paar Hüpfer auf einer Frau und ein Spaziergang mit seinem Hund.
Der Hund hieß auch Wimmerl und sah punktgenau aus wie sein Herr. An
diesem Abend hielt er wacker Schritt mit ihm, ja er lief ab und zu sogar in
voller Freiheit fünfzehn, zwanzig Meter voraus, die Nase am Boden, beides war
selten genug. Der Chiemsee schlug in kurzen, dunklen Wellen an den Grasstrand.
Wimmerl I marschierte mit auf dem Rücken verschränkten Händen den
Inselrundweg entlang, der von seinem Haus nach Norden führte. Irgendwann fiel
ihm auf, dass er nicht einmal mehr einen Schatten von Wimmerl II sah. Er pfiff. Er rief. Er roch Unheil. Das war
noch nie passiert. Egal, ob der Hund ein Kaninchen witterte, an einem Blümchen
schnupperte oder von Touristen gestreichelt wurde, in kürzester Zeit hatte er
sein Herrchen hechelnd wieder eingeholt.
Wimmerl Herzland blieb stehen und versuchte, die Dunkelheit zu
überlisten. Vergeblich. Bis er den Hund in einiger Entfernung bellen hörte.
Dieses Bellen hätte er aus tausend anderen herausgehört. Für einen
Hundebesitzer ist das Bellen seines Hundes ebenso individuell wie die Stimme
seiner Frau, sofern er eine hat. Er drehte den Kopf und lauschte. Das Bellen
kam von vorn, vom Wasser her. Es waren dumpfe, zornige, ausdauernde Rufe, die
sich nicht von der Stelle rührten. So als habe Wimmerl einen Igel im Busch
entdeckt.
Später hätte er nicht genau sagen können, ob er zuerst den Wimmerl
oder den weißen Fleck gesehen hatte. Der weiße Fleck entpuppte sich als Teil
der Kopfhaube einer Klosterschwester. Der Kopf lag an Land, dort, wo die
Böschung sanft zum See hin abfiel. Der schwarze Rest wurde von Wasser
überspült. Die meisten Schwestern auf der Insel waren dem Wimmerl Herzland
bekannt. Doch er wollte nicht wissen, wer diese war.
Der Hund hüllte sich jetzt, wo er seinem Herrn den Fund präsentieren
konnte, in Schweigen. Er stand ganz still. In einer irgendwie wachsamen,
kampfbereiten Haltung, nach vorn durchgebogen, die Schnauze nicht weit entfernt
von der Leiche.
Der Wimmerl Herzland sah trotz der Finsternis alles sehr deutlich.
In Bruchteilen einer Sekunde schätzte er den Ernst der Lage ein. Und erkannte,
dass er, der Wimmerl, plötzlich bedeutend war. Er schnaufte tief und laut. Er
schnappte sich den Hund, zog ihn weg, drückte ihn an sein Bein und klopfte ihm
den fetten Hals. Einen Augenblick lang hoffte er, es möge jemand kommen, die
Situation mit ihm teilen und ihm auch den fetten Hals klopfen. Es kam niemand.
Er sah sich um. Ein dunkles, spitzes Dach ragte gegen den Westhimmel
auf. Cilly Schiffers Haus. Die Cilly mit der Schafwollproduktion. Dort ging er
hin. Schön, dachte er, dass ich nicht allein auf dieser Insel bin.
»Griaß di, Wimmerl«, sagte Cilly. Sie hatte ein helles geflochtenes
Band aus Wolle