Rosenmörder (German Edition)
hin und her. »Im Osten, denk ich. Da,
wo die ganze Familie herkam. Aus dem Osten. Wo, weiß ich nicht.« Er fuhr sich
nervös durchs Haar. »Entschuldigung, haben Sie noch viele Fragen? Ich müsste
eigentlich zu der Kommandeursbesprechung. Ich bin auch Einheitsführer. Chef
dritte.«
»Sie kennen meinen Wissensdurst. Fällt Ihnen spontan noch etwas
ein?«
Bestimmt nicht. Der Hauptmann hatte sich innerlich schon
verabschiedet.
Ottakring reichte ihm seine Karte.
Er hatte mehr Informationen erhalten, als er erwartet hatte. Er
kannte die Familiengeschichte des Bürgermeisters. Doch was, zum Teufel, fing er
jetzt wieder mal damit an? Gubkin hatte ihm am Herzen gelegen. Über ihn hatte
er etwas erfahren wollen. Wie ums Verrecken war er überhaupt auf Wildschitz
gekommen? Freilich, weil er ihn bei Gubkin angetroffen hatte. Wurde er von
Gubkin geschmiert? Aber es war nicht sein Job, in Sachen Korruption zu
ermitteln. Dafür waren andere zuständig.
»Auffällig viele Bewegungen innerhalb des Areals, reger
Personenverkehr. Keine Ankünfte oder Abreisen. Gubkin und Frau nicht gesichtet,
wahrscheinlich im Haus.«
Eine SMS , die vieles bedeuten konnte oder
nichts. Ottakring wollte sich selbst ein Bild machen. Etwas war dabei, sich zu
verändern. Etwas stimmte nicht. Er spürte, wie die Spannung stieg.
Wie es wohl Eva M. auf der Insel gehen mochte?
»Hier war es gewesen. Genau hier. Hier wurde Matilda
aufgefunden«, sagte Penelope.
»Dann wohnt in diesem Haus der Finder mit seinem Hund?« Eva M.
deutete auf das Reetdachhaus links von ihnen. »Der Herzland?«
»Ja. Und zu meinen Andeutungen – da gäbe es viel zu erzählen.«
Eva M. warf ihr einen äußerst interessierten Blick zu, während
sie wieder Tempo aufnahmen.
»Du hast Kosmos gekannt? Woher kanntest du ihn? Sprich, Schwester.
Sprich deutlich.«
»Ich hab ihn an der Anlegestelle gesehen. Kosmos im feinen Zwirn,
wie immer. Und da, wo Kosmos auftaucht, gibt’s immer Ärger.«
»Zunächst: An welchem Tag? Kannst du dich an das Datum erinnern?«
Penelope dachte nach. »Nein. Aber es war kurz vor seinem Tod. Er kam
gerade vom Schiff. Ich habe mich geduckt und mein Gesicht weggedreht, obwohl
ich ja in meiner Verkleidung …«, Penelope kicherte kindhaft, »… kaum
zu erkennen bin.«
Sie passierten zwei Frauen mit Kinderwagen, die sich unterhielten.
Nach wenigen Schritten fuhr Penelope fort.
»Zuerst war ich mir gar nicht einmal sicher, ob er nicht meinetwegen
auf die Insel gekommen ist. Ob er nicht hier war, um einen Auftrag zu
erledigen. Aber dieses Thema hat sich jetzt von selbst erledigt.« Sie putzte
sich die Nase und sandte wie eine echte Schwester einen andächtigen Blick zum
Himmel.
Eva M. spürte Zündstoff. »Und warum sollte er deinetwegen
angereist sein? Wollte er dich finden? Und wenn ja, warum wollte er dich
finden?«
»Ist doch nur eine Vermutung gewesen beziehungsweise eine
Befürchtung.«
Eva M. fasste die Schwester am Arm und führte sie unter sanftem
Druck zu einer Bank, von der aus man einen wunderbaren Seeblick hatte. Sie
konnten nebenbei das gut besetzte Chiemseeschiff beobachten, das mit elegantem
Schwung auf den Landesteg zusteuerte.
»Setzen wir uns doch kurz«, sagte Eva M.
Es war ein alltäglicher Anblick, die Ordensschwester auf der Bank in
ihrer schwarz-weißen Tracht und eine weltliche Frau, die sich mit ihr
unterhielt.
»Könntest du mir jetzt bitte zusammenhängend wiedergeben, was du mir
eigentlich sagen willst? Im Moment ziehe ich dir die Würmer einzeln aus der
Nase.« Penelopes beherrschtes Benehmen war nichts als Theater, das spürte
Eva M. In Wirklichkeit kochte es in ihr. »Hat es mit deinem geschiedenen
Mann zu tun? Wie hieß der eigentlich?«
Penelope verzog das Gesicht. »Mein Ex? Ja, wie hieß der doch gleich?
Es scheint ewig her zu sein, dass ich mit ihm verheiratet war. Orlow hieß er.
Igor Jurewitsch Orlow. Aber das wird dir nichts sagen, und es tut auch nichts
zur Sache. Seit der Scheidung hab ich nichts mehr von ihm gehört. Ich vermute,
er ist untergetaucht.«
Penelope beugte sich vor, der strahlend weiße Schleier ihres Ornats
fiel ihr ins Gesicht und gab seitlich ein Büschel brauner Haare frei.
»Kosmos hat für Orlow gearbeitet. Das war mit ein Grund, dass ich
mich schließlich scheiden ließ. Kosmos war – na ja, ein Berufskiller,
vermute ich. Ich konnte es nicht länger ertragen, solch einen Typen in nächster
Nähe zu haben.«
Eva M. machte sich Notizen. »Weiter«, bat
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