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Rosenmörder (German Edition)

Rosenmörder (German Edition)

Titel: Rosenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Grundstück erwartet. Doch Gubkin
hatte keine Hunde. Alles war still. Der Rest war für Huawa ein Kinderspiel. In
weniger als fünfunddreißig Minuten waren sie im Musiksalon, dem Raum, in dem
nicht viel mehr stand als der Konzertflügel. Ottakring erinnerte sich genau an
seinen ersten Besuch, bei dem er Wildschitz angetroffen hatte.
    Unbewusst hatten sie sich als Erstes den Raum mit dem Flügel
vorgenommen. Diesmal war der Instrumentendeckel geschlossen. Helle Papiere
lagen ausgebreitet auf dem geschwungenen Korpus. Ottakring ließ den Strahl der
Lampe darübergleiten.
    Huawa war ihm gefolgt. »Oh, oh«, machte er leise.
    »Was ist?«
    »Kommt mir so bekannt vor.«
    Huawa war nicht sehr groß. Er musste sich auf die Zehenspitzen
stellen, um sich über die Papiere zu beugen.
    »Oh, oh«, kam es noch einmal. »Pläne.«
    Das hatte auch Ottakring schnell erkannt. Es waren
Architektenzeichnungen mit Grundriss, Aufriss und eingefügten Markierungen und
Details, die ihm fremd waren.
    »Sprengpläne«, sagte Huawa in einem Ton, der nach Andacht in der
Kirche klang. »Unsereins kann Sprengpläne erkennen und sie lesen wie
wahrscheinlich der Herr Gubkin seine Musiknoten.«
    »Und? Was liest du?«
    »Ham Sie was zum Zeigen? An langen Stift vielleicht?«
    Ottakring sah sich um, holte einen langen Span vom Kamin und reichte
ihn Huawa.
    Der nahm den hellen Holzspan zwischen die drei restlichen Finger der
kaputten Hand und ließ ihn über dem Plan kreisen.
    »Hier«, flüsterte er und deutete auf ein Dutzend symmetrisch
angeordneter Rechtecke. Er verfiel in ungewohntes Hochdeutsch. »Das sind
Ladungspakete. Sprengstoff halt. Sie sind mit Drähten untereinander verbunden.
Sprengschnüren halt.« Die Spitze des langen, glatten Spans in der verkrüppelten
Hand folgte der Zeichnung. »Die Zahlen daneben bezeichnen die Menge des
Sprengstoffs in der Ladung.«
    »Das Gewicht?«
    »Genau. Die Masse, hinter der sich die Sprengkraft versteckt. Und
hier am Ende der Kette ist ein Millisekundenzünder, der die
Detonationsübertragung auslöst. Der Zünder hat die Form eines kleinen
Fingerhuts, sehen Sie, Herr Ottakring, hier.« Der Span zitterte stark. »Und da,
am anderen Ende, dieses verdammte kleine Rechteck, das ist der Empfänger.«
    Huawa blies die Backen unter der Maskierung auf und ließ
geräuschvoll die Luft wieder ab. So geräuschvoll, dass Ottakring ihm die Hand
auf den Mund hielt.
    »Mann, ich bin geplättet«, sagte Huawa leise. »Was hat so ein Ding
hier drin zum Suacha. Reschpekt!«
    Ottakring fühlte sich, als wäre er unvermutet auf dem Mond gelandet.
Sein Instinkt hatte ihn also nicht getrogen. Alles hätte er erwartet, nur
keinen Sprengplan. Dass es sich dabei nicht um die Vorbereitung einer
Alpendurchquerung handelte, war selbst ihm als Laien klar. Obwohl der Aufriss
wie der Schnitt durch einen langen Gang oder ein Gewölbe aussah.
    »Das ist der Empfänger?«, fragte er versonnen. »Was empfängt der
denn?«
    »Na, einen Funkbefehl. Den Auslöser.«
    »Etwa von einem Handy?«
    »Freili.«
    Sein Hund Herr Huber war dem gleichen grauenhaften System zum Opfer
gefallen. Wenn das hier ein Sprengplan war – wer oder was sollte diesmal
gesprengt werden? Und warum?
    Als sie später draußen die Sturmhauben abzogen, glänzte
Artur Josef Hubers vernarbte Backe im silbrigen Licht.

ACHTZEHN
    Noch in derselben Nacht hatte Ottakring den
Schreibtischstuhl zu Hause ans offene Fenster am Hochriesweg Nummer neunzehn
geschoben. Er konnte nach dem Erlebten nicht einschlafen. Zu viel ging ihm
durch den Kopf.
    Lola war seit gestern in München beim Intendanten, um sich
einzuarbeiten. Er konnte sich also frei im Haus bewegen und störte nicht. Ein
frischer Wind wehte aus dem Priental herunter. Die enge Häuserzeile
funktionierte wie ein Windkanal. Klock-klock-klock. Am Haus gegenüber schlugen
die Fahnenseile rhythmisch gegen die hölzerne Stange. Vierundzwanzig Stunden am
Tag war in Nachbars Garten die Bayernfahne mit den Rauten gehisst. Die Glocke
vom Kirchturm schlug zweimal. Die halbe Stunde. Halb drei zeigte die
Wanduhr im Arbeitszimmer hinter Ottakring. Er goss sich ein Weißbier ein und
legte die Füße aufs Fenstersims. Er nahm einen Schluck und stellte das Glas
beiseite. Aus alter Gewohnheit legte er einen Bierdeckel über die Öffnung.
    So blieb er eine Weile sitzen, die Hände im Nacken verschränkt.
Während er mit zusammengekniffenen Augen in den Nachthimmel starrte, begann er
die Konturen des neuen Verbrechens zu

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