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Rost

Titel: Rost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Meyer
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und
ihrem Mann dann hinhielt, zum Dranriechen oder so was Ähnliches, so nah der
Mann halt drankam. Die Geschichten waren ihm bis jetzt nur übertrieben vorgekommen,
aber plötzlich konnte er sich das sehr deutlich vorstellen.
    »Du musst dich fertigmachen«, sagte Grace in ihrem XXL - T -Shirt, die sich
gerade aufrichtete. »Und du musst ihm helfen.«
    »Mach ich«, sagte er zu ihr.
    Draußen erwartete ihn Harris neben dem Explorer.
    »Ich bin fertig.« Aber losfahren ging nicht, bevor nicht seine Mutter
rausgekommen war, sich zu verabschieden, er wollte weg sein, in den Truck und
fahren und das Ganze möglichst schnell hinter sich bringen, diesen Ort wollte
er nicht mehr anschauen, es würde alles nur noch schlimmer machen, ihm war
jetzt zum Heulen, und er wollte nicht, dass Harris ihn so sah. Er wollte in den
Truck einsteigen, aber Harris sagte:
    »Warte, bis sich deine Mutter anständig von dir verabschiedet hat.«
    Er stand da, versuchte, mit geschlossenen Augen abzuwarten, doch das
machte es nicht besser. Schließlich kam sie raus, in Jogginghose, Mantel
drüber, und umarmte ihn, er presste seine Augen zu, vielleicht würden sie so ja
wieder trocken.
    »Hör auf ihn«, sagte sie zu ihm. »Tu, was er sagt.«
    Billy nickte, schluckte etwas runter. Harris fummelte an irgendwas
im Truck herum und tat so, als ob er nichts sähe.
    »Pass auf ihn auf«, sagte sie zu Harris.
    »Ruf mich heute Abend an, Grace«, sagte Harris.
    Poe beobachtete, wie sie Harris ansah, da ging etwas zwischen ihnen
hin und her.
    Dann zeigte Harris auf den Beifahrersitz. Als sie fast schon auf der
Hauptstraße waren, fuhr er den Truck rechts ran.
    »Du musst nach hinten«, sagte er. »Ich wollte nicht, dass sie das
sieht, aber es könnte sein, dass uns die State Police erwartet, deshalb muss
ich dir auch Handschellen anlegen.«
    Poe ließ es geschehen und stieg hinten ein, hinter der Trennwand, in
den Passagierbereich des Trucks. Und es beruhigte ihn irgendwie.
    »Du weißt, wie ernst es ist, ja?«
    »Ja.«
    »Hat dieser English-Junge irgendwas damit zu tun? Ich war heut Morgen
dort, sein Vater sagt, sie haben ihn schon seit zwei Tagen nicht gesehen.«
    »Nee«, sagte Poe.
    Harris schüttelte den Kopf. »Der Staatsanwalt wird dich zum Frühstück
fressen. Der weiß schon, was du gleich sagen wirst, bevor du den Mund
aufgemacht hast.«
    »Ich bin ja nicht blöd.«
    »Weißt du was«, sagte Harris, »du bist blöd.
Denk daran, bevor es noch schlimmer wird. Falls das überhaupt geht.«
    »Wenn du meinst.«
    »Du hättest zu mir kommen sollen. Dann würde das alles nicht passieren.«
    Harris war eindeutig wütend. Dann war er wütend auf Harris.
    »Ja, jetzt guckst du«, sagte Harris, »aber wenn der Zeuge bei der
Gegenüberstellung dich herauspickt, und das wird er ja wohl, sitzt du in der
Scheiße. Wenn du Glück hast, fünfundzwanzig Jahre, aber wie gesagt, der Staatsanwalt
ist scharf auf einen Mordfall, weil er seine Karriere voranbringen will, und da
kommst du ihm grade recht. Ich sage nicht, dass er es schafft,es wird nicht
leicht sein, den Geschworenen das zu verkaufen, aber er wird darauf
hinarbeiten. Nur damit du weißt, er ist ein schlauer Typ, der sich den Arsch
aufreißen wird, damit du in der Todeszelle landest.« Er hielt einen Moment
inne. »Du«, sagte er noch mal. »Kein anderer als du. Billy Poe.«
    »Was sagt der Zeuge?«
    »Dass der Kleine, ich vermute, Isaac English, kapierte, dass sich eine
Schlägerei anbahnte, und sich aus dem Staub machte. Dass du dagegen dabliebst
und zu prügeln anfingst, wobei er auch einen Schlag auf den Kopf kriegte. Als
er wieder zu sich kam, hattest du seinem Kumpel Otto Carson auch eins auf den
Kopf gegeben, aber fester. Seinem Kumpel, der jetzt tot ist.«
    »Was war mit dem Dritten, der mir mit dem Messer an den Hals gegangen
ist?«
    »Ein Messer? Davon hat er nichts gesagt. Und wenn es einen Dritten
gab, ist der vermutlich längst in Kansas, wer ist schon so blöde, sich in so
was reinziehen zu lassen.«
    »Der Typ hieß Jesús. Und der hielt mir ein Messer an die Kehle, wie
gesagt.«
    »Tja, hat der Zeuge nicht gesehen.«
    »Tja, was dieser Zeuge sagt, ist nicht passiert, aber das ist dann
wohl gelaufen.«
    »Du musst mit mir reden, tu’s für deine Mutter, nur dann hast du eine
Chance.«
    Poe war still und dachte, was du ihm erzählen würdest, wäre nur die
Wahrheit, dann rief er sich ins Gedächtnis, dass es nicht die Wahrheit wäre.
    Die Fahrt ging über die Flussstraße, das Glitzern, das

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