Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)
wunderschön,
wunderschön anzusehen.
Sie hörte die Männer antworten:
Doch beim armen Bräutigam
Helfen weder Seif’ noch Kamm.
Und wieder die Frauen:
Sie wie Byrek , zart und fein.
Und die Männer:
Er so grob wie Innereien.
Das Lied hob die Schönheit der Braut hervor, Schönheit ist immer weiblich, wenn es jedoch um menschliche Qualitäten ging, war immer vom Mann die Rede.
Später brachten die Tanten Mama in das »Vorführ-Zimmer«, wo sie Verwandten, Freunden und Nachbarn vorgeführt, ja, vorgeführt wurde, bis endlich das Abendessen bereit war.
Die Kampagne zur Abschaffung der in den ehemals bürgerlichen Kreisen typischen Prunkhochzeiten war in vollem Gange. »Ich habe vor allem den Menschen gewählt«, tönte es von morgens bis abends aus dem Radio. Was sie wohl in anderen Ländern wählten, wenn sie beschlossen zu heiraten, fragte ich mich als kleines Mädchen oft.
Mein Vater hatte also den Menschen gewählt, wie ich finde, den falschen, aber nach meiner Meinung hat nie jemand gefragt. Meine Mutter, eine zarte, ungewöhnliche Braut, Wasser und Seife, kurz geschnittenes Haar. Genossin Klementina hatte den gesamten Sommer über am Bau der Eisenbahn mitgewirkt. Die Züge sollten das neue Vaterland wie die Adern eines neugeborenen Lebens durchziehen, wer hatte da Zeit, sich um Frisur und Schönheit zu kümmern? Unverheiratete Frauen schminkten sich nicht und entfalteten ihre Schönheit erst am Tag der Hochzeit. Meiner Mutter war es mit der Hochzeit nur gelungen, eine ehrbare Frau zu werden, was die Schönheit betraf, hatte sie dagegen versagt.
Das Foto über dem Ehebett meiner Eltern hat mir nie gefallen. Mich befiel Unbehagen, wenn ich die traurigen Augen meiner Mutter sah, die sich in diesem gebräunten Gesicht, einem weiteren Zeichen extremer Hässlichkeit, zu bewegen schienen. Eine Frau musste Haut so weiß wie Milch haben. Diese Augen folgten jeder meiner Bewegungen, wenn ich mich als junges Mädchen vor dem großen Spiegel in ihrem Zimmer zurechtmachte. In meinem Zimmer gab es keinen Spiegel. Genosse Luan war der Meinung, dass Bücher als Einrichtungsgegenstände genügten. Die Melancholie dieses Fotos war der häufigste all meiner Gemütszustände jener Jahre. Oft verlor sich meine kindliche Freude gerade dort, in den Augen meiner Mutter, in ihrem verzweifelten Versuch, Traurigkeit und Verwirrung zu verbergen. Verwirrung ob des Bewusstseins, am Tag der eigenen Hochzeit nicht glücklich zu sein.
An ihrem Hochzeitstag war meine Mutter Klementina hässlich. Weshalb war sie so geworden? Hatte sie etwa Kirchen und Moscheen zerstört, wie es in jener Gegend heißt? Ja, konnte meine Mutter mit hocherhobenem Kopf erwidern, sie hatte im wahrsten Sinne des Wortes dazu beigetragen, Kirchen und Moscheen zu zerstören.
1967 hatte Hoxha dazu angeregt, alle Andachts- und Gebetsstätten abzuschaffen oder einfach umzuwandeln. Man konnte Kulturzentren daraus machen oder zum Beispiel Getreidelager. Mama hatte ihren unverzichtbaren Beitrag zunächst in der Moschee von Elbasan in Mittelalbanien geleistet, und später dann in einer der Kirchen irgendwo im Norden. Meine Mutter hat in ihrem Leben vermutlich öfter daran gedacht, dass diese Hiebe mit der Spitzhacke sie teuer zu stehen kamen, und dass sie alle bis aufs Letzte bezahlt hatte.
Einen Monat nach der Hochzeit wurde meine Mutter schwanger, ich war unterwegs. Großmutter Saba streifte durch das Viertel, um sich aus dem Kaffeesatz lesen zu lassen. Es war wie Ultraschall: Sie ließ sich Kaffee einschenken, drehte die Tasse, kippte ihn hinunter, und schon tauchte das Geschlecht des Neugeborenen am Grund der Tasse auf, schön und männlich, gleichsam als Entschädigung für all die Mädchen, die sie bekommen hatte. Alle Frauen, zu denen Großmutter ging, um sich aus dem Kaffeesatz lesen zu lassen, sahen von Anfang an mein Pimmelchen. Je praller der Leib meiner Mutter wurde, desto deutlicher hob er sich vom Grund der Tasse ab. Schade, dass er unterwegs verloren ging. Aber immerhin lebte meine Großmutter neun Monate lang in einem Zustand der Dankbarkeit, Mama kümmerte sich um ihren Leib und sie sich um den Kaffeesatz. Sie waren fast ebenbürtig, sie beide. Von Papa dagegen keine Spur. Er arbeitete immer noch in dem Dorf und ließ sich nur an den Wochenenden blicken. Die Versetzung war auch nach der Hochzeit nicht erfolgt, und so blieb Mama, unter dem Vorwand der großen Familie, in der Stadt: zwei alte Leute, die sie versorgen musste, und eine von Papas
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