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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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früh genug erfahren. Sie erinnerte sich an die Diskussion kürzlich in der Kaffeeküche, als Berglund von »Sture mit dem Hut« und Rosenberg gesprochen hatte. Da war Havers Ton überheblich, fast schon höhnisch gewesen.
    Schließlich verschwand er in der Werkstatt, um mit dem Techniker Armas’ Auto zu untersuchen. Lindell war froh, wieder ihre Ruhe zu haben.
    Sie war allerdings nicht lange allein. Schon nach wenigen Minuten spazierte Sammy Nilsson ohne anzuklopfen in ihr |326| Büro. Sie wollte ihn gerade für diese Unart zurechtweisen, da sah sie an seiner Miene, dass er ihr etwas wirklich Wichtiges zu sagen hatte.
    Ohne Umschweife kam er zur Sache. »Ausbruch heute Vormittag aus der Strafanstalt von Norrtälje«, sagte er in seiner kurz angebundenen, abgehackten Art. »Vier Kerle. Bewaffnet unterwegs und Geiselnahme.«
    Lindell sah ihn an. Ein Ausbruch in Norrtälje berührte die Behörden in Uppsala nur indirekt. Vor allem ging das ganz andere Abteilungen der Polizei an.
    »Einer der Typen ist interessant«, fuhr Nilsson fort. »Ein Mexikaner.«
    Ann Lindell horchte auf.
    »Heißt Patricio Alavez und sitzt wegen versuchten Warenschmuggels, mit anderen Worten: Drogen.«
    »Kokain?«
    »Yes«, sagte Sammy Nilsson zufrieden.
    Was für ein Tag, dachte Ann Lindell. Eine Woche lang Flaute und heute stürzen die Informationen nur so auf uns ein.
    »Ich hab gehört, wie Johansson, du weißt schon, dieser Bulle aus Storvreta, darüber gesprochen hat. Als er Mexiko sagte, stutzte ich.«
    »Keine Spuren? Ist die Geisel   …«
    »Wie vom Erdboden verschluckt. Es gibt eine Angabe zu einem Auto. Vermutlich ein Audi, der an Kårsta mit hoher Geschwindigkeit vorbeifuhr, aber das hat bisher nichts ergeben.«
    »Mexiko«, sagte Lindell. »Verdammt noch mal, nun müssen wir Ruhe bewahren.«
    Sammy Nilsson sah sie an, erst erstaunt, dann amüsiert. Ann Lindell fluchte äußerst selten.
    »Ich bin verdammt ruhig«, sagte er. »Verdammt seelenruhig.«
    Genau wie Ann Lindell hatte er Witterung aufgenommen. |327| Sie fuhr mit ihren Überlegungen fort, die im Grunde gar nicht direkt an Sammy Nilsson gerichtet waren. Es wurde ein Monolog, bei dem sie versuchte, alle Fäden miteinander zu verknüpfen. Die Messerattacke gegen Sidström in Sävja mit dem Kokain und Rosenberg. Der Zusammenhang dieser Geschehnisse mit Slobodan Andersson und dem »Dakar« war Nilsson nicht klar, und er unterbrach sie. Lindell blickte verdutzt auf, dann berichtete sie ihm von Barbro Liljendahls Ermittlungen und Überlegungen.
    »Das werden aber viele Pfeile«, sagte er.
    Mit einem Kopfnicken deutete er auf ihren aufgeschlagenen Notizblock.
    »Ich habe Bea gebeten, Rosenberg für morgen früh zu bestellen, aber jetzt frage ich mich doch, ob wir das nicht gleich heute machen sollen. Und dann müssen wir uns mit Västerås und Stockholm in Verbindung setzen.«
    »Warum das?«
    Erst da wurde Ann Lindell bewusst, dass sie niemandem von ihrem Besuch im »Dakar« erzählt hatte, und sie war plötzlich schrecklich verlegen. Aber Sammy Nilsson schob ihre Entschuldigungen, es sei so viel zu tun gewesen, beiseite.
    »Ich nehme Bea mit, und wir fahren zu Rosenberg nach Hause«, sagte Sammy Nilsson. »Du kümmerst dich um die Stockholmer Kollegen, die zu diesem Prachtexemplar ermitteln, wie hieß er noch mal? Lorenzo Wader? Otto soll im Auge behalten, ob sich wegen der Ausbruchsgeschichte was Neues ergibt. Ich hab vorhin bei ihm reingeschaut, aber er saß am Schreibtisch und starrte wie ein Zombie vor sich hin.«
    Ann Lindell war schon klar, warum. Aber sie wollte Sammy Nilsson jetzt nichts davon sagen, denn das hieße, seinem Enthusiasmus einen ordentlichen Dämpfer zu verpassen.
    »Klingt gut«, sagte sie nur und griff nach dem Telefon. »Ich rufe Bea an.«

|328| 51
    Z ero träumte davon, nach Kurdistan zu gehen, das Land, das ihm sein Vater so oft beschrieben hatte. Manche meinten, Kurdistan sei ein Traum. Dann lachte Zero. Als er in der siebten Klasse war, hatte der Lehrer gesagt, das Land gäbe es nicht. Da war Zero böse geworden. Das war so gekommen: Er hatte sich gemeldet und gefragt, wann sie Kurdistan durchnehmen würden. Sie lernten doch auch so viel über alle anderen Länder, Flüsse und Gebirge.
    »Wie kann es ein Land, das es gibt, nicht geben?«, fragte er den Lehrer.
    »Ich glaube, ich verstehe deine Frage nicht. Wir müssen doch   …«
    Vielleicht hatte der Lehrer geglaubt, dass Zero, der sich sonst nie meldete, ihn hochnehmen wollte. Dass er

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