Rot wie Schnee
|331| zuging. Aber der Mann hob eine Hand und trat einige Schritte zurück hinter ein Gebüsch.
»Das reicht so«, sagte er. »Wir können uns so unterhalten.«
»Wer sind Sie?«
»Das spielt keine Rolle. Ich will dich nur um etwas bitten.«
Nein, dachte Zero, ich will nicht, dass du mich um etwas bittest, aber noch ehe er protestieren konnte, sprach der Mann weiter. Er hatte eine andere Stimme als Sidström, tiefer und energischer.
»Ich will, dass du zur Polizei gehst und berichtest, was passiert ist.«
»Sind Sie ’n Bulle?«
Der Mann lachte.
»Ich will, dass du zur Polizei gehst und berichtest, wer in dieser Stadt Drogen verkauft.«
»Das bin doch ich!«
»Wer dahintersteckt.«
»Das weiß ich nicht.«
»Aber ich weiß es«, sagte der Mann, und Zero sah, wie seine Zähne leuchteten.
»Die bringen mich um.«
»Nein, das tun sie nicht. Du musst nicht öffentlich in Erscheinung treten.«
Zero verstand nicht, was er meinte.
»Es muss keiner wissen, dass du es gesagt hast«, erläuterte der Mann.
Zero starrte ins Dunkel und versuchte sich ein Bild von dem Mann zu machen. Er war kein Türke, und er sprach wie ein Schwede, fast wie die Lehrer.
»Ich will nicht«, sagte er.
»Du willst. Du willst dich doch nicht mehr verstecken, oder? Du willst doch aus dieser Geschichte heil herauskommen.«
Zero hob an, etwas zu sagen, aber der Mann machte eine Handbewegung und sprach weiter.
|332| »Ich weiß, was du denkst. Du fragst dich, wie viel du für deine Mühe bekommst. Was hältst du von fünftausend Kronen. Cash. Auf der Stelle.«
»Ich soll fünftausend bekommen?«
»Ja, und noch mal fünftausend, wenn alles klar ist.«
Zero war sprachlos. Eine schwindelerregende Summe. Für zehntausend Kronen konnte er in die Türkei fahren und seinen Vater besuchen. Vielleicht reichte das Geld ja sogar, um ihn aus dem Gefängnis freizukaufen?
»Was soll ich machen?«
»Das ist einfach. Du musst zur Polizei gehen und nach jemandem fragen, der mit Drogen arbeitet, verstanden? Sag, dass du alles bereust und dass du gegen deinen Willen in diese Drogengeschäfte hineingezogen worden bist. Dass du keine Drogen verkaufen willst. Dass du bedroht wurdest. Und dass du jetzt reden willst.«
Der Mann erzählte Zero, was er bei der Polizei sagen solle. Das wiederholte er mehrmals, und dann bat er Zero, seinerseits die ganze Geschichte zu wiederholen.
»Aber die werfen mich ins Gefängnis«, wandte Zero ein.
»Nein«, sagte der Mann, »du bist zu jung. Die Polizei wird sich nicht weiter um dich kümmern. Die wollen die richtig Großen schnappen, verstanden?«
Zero nickte. Es kam ihm vor wie im Film. Die Polizei würde sich freuen und ihn vergessen. Und er würde zehntausend bekommen.
»Verstanden«, sagte er, und im selben Moment krachte wieder ein Ast nach unten.
|333| 52
K . Rosenberg« stand mit cremefarbenen Buchstaben auf der Tafel im Haupteingang. »Vierte Etage«, stellte Sammy Nilsson fest.
Er warf Beatrice einen amüsierten Blick zu.
»Schaffst du’s?«
Bea verzog das Gesicht und ging los. Mann, was sind die empfindlich, dachte er und hängte sich dran.
Der Auftrag, jemanden zum Verhör abzuholen, war für die beiden Polizisten eine Routineaufgabe. Trotzdem stieg die Spannung mit jeder Etage. Mechanisch las Sammy Nilsson die Namen auf den Türen, an denen sie vorbeikamen. Andersson, Liiw, Uhlberg, Forsberg und Burman.
Im dritten Stock blieb Bea stehen und drehte sich um.
»Wird der laut?«
»Glaub ich nicht«, entgegnete Sammy Nilsson, fühlte aber automatisch nach dem Halfter unter dem Sakko. »Der gute Konrad ist nicht dafür bekannt, gewalttätig zu sein.«
Sie gingen weiter, und ehe Bea klingelte, atmeten sie einige Sekunden lang durch. Sie lauschten an der Tür, aber es war nichts zu hören, das darauf deutete, dass Rosenberg zu Hause war. Bea klingelte noch einmal, und Sammy Nilsson lugte durch den Briefschlitz.
Eine Stunde später, nachdem Sammy Nilsson Ann Lindell und den Staatsanwalt angerufen hatte, stand der Vorsitzende der Wohnungsgenossenschaft vor ihnen. Er studierte sorgfältig die Legitimationen der beiden Polizisten, erst dann steckte er den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür.
Konrad Rosenberg saß im einzigen Sessel des Wohnzimmers. Sammy Nilsson fand, er sähe zufrieden aus, vielleicht war es der Mundwinkel, der diesen Eindruck vermittelte.
|334| Sein Arm hing herunter, und auf dem Fußboden lag eine Spritze.
»Verdammter Mist«, sagte der Vorsitzende, der den
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