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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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man wollte, einer länglichen Bank zusammen. Als Hilfsmittel hatten die Männer einen Bagger, mit dessen Greifer die Steine an ihren Platz gehievt wurden. Sie justierten die Steine mit Brechstangen. Obwohl sie solche Schwergewichte bewegten, wirkte die Arbeit ungeheuer leicht. Natürlich trug die Maschine ihren Teil bei, aber Eva sah den Gesichtern der Männer an, dass sie ihre Arbeit mochten. Einer haute auf den fertig eingepassten Stein, als wollte er sagen: Da liegst du jetzt, und das sieht gut aus. Als gäbe er ihm bestätigend einen Klaps mit der Hand, bevor der nächste Stein an der Reihe war.
    Eva wurde plötzlich bewusst, dass die Arbeit dieser Männer |114| Bestand haben würde. Überall in der Stadt waren Steine: als Hausfassaden, Brücken, als Straßenbelag und als Dekoration in den Parks. Mit Menschenkraft allein ließen sie sich nicht verrücken. Sobald einer der Männer einem Stein den entsprechenden Platz gegeben hatte, lag der da, als sichtbarer Beweis seiner Arbeit.
    Sie verglich das unwillkürlich mit ihrer eigenen Tätigkeit. Wenn sie im »Dakar« servierte, gab es den Beweis für ihre Arbeit nur im Augenblick ihres Tuns, genau wie früher, als sie bei der Post angestellt war. »Die am Schalter«, das war Eva Willman viele Jahre lang gewesen. Kaum verließ sie den Schalter, sei es, um zur Toilette zu gehen oder schnell in dem hinteren Teil der Dienststelle eine Quittung auszustellen, murrten die Leute.
    Die Männer wuchteten einen neuen Stein an seinen Platz. Der Baggerfahrer schwenkte den Greifer zur Seite, ließ ihn auf dem ausgewählten Stein liegen. Vielleicht wollten sie Pause machen. Einer der Arbeiter warf ihr einen Blick zu.
    »Das wird richtig schön«, sagte sie und setzte sich aufs Fahrrad.
    Der Mann nickte, ging ein paar Schritte auf sie zu und stellte einen Fuß auf den gerade eingesetzten Stein.
    »Nein, nun wird es aber Zeit, ich muss zur Arbeit«, sagte sie.
    »Wo ich gerade einen Kaffee ausgeben wollte«, sagte der Mann, und Eva konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, ob er es ernst meinte.
    »Habt ihr jetzt Kaffeepause?«
    »Nein, wir machen für heute Schluss.«
    Die beiden anderen Männer warteten im Hintergrund.
    »Wo arbeitest du?«
    »Im Restaurant. ›Dakar‹ heißt das.«
    »Dann musst du einen ausgeben!«, sagte der Arbeiter und lachte. »Bis dann!«
    |115| Nach einem übermütigen Blick ging er zu seinen Kumpels und verschwand in der Baubude.
    Sie blieb noch einen Moment stehen, dann radelte sie los.
     
    In der Küche des »Dakar« wurde hitzig diskutiert. Bis in den Umkleideraum war Feos eifrige Stimme zu hören. Donald unterbrach ihn.
    Als Eva die Küche betrat, schwiegen die beiden Köche und sahen sie an.
    »Ich will euch nicht stören«, sagte sie.
    Donald wandte sich ab, zog heftig eine Kasserolle vom Gestell, besann sich, stellte sie zurück und ging hinaus zur Bar. Sie hörten, wie er eine Flasche Limo oder Mineralwasser nahm, Donald trank während der Arbeitszeit nie etwas Stärkeres.
    »Wir haben über die Gewerkschaft geredet. Die wollen herkommen.«
    Eva nickte.
    »Gibt es was Besonderes?«
    »Nein, es gibt irgendeine Kampagne. Ich bin Mitglied, aber Donald nicht. Er sagt, das sind Parasiten.«
    »Ich weiß nicht, ob ich viel Nutzen von der Gewerkschaft hatte. Aber drin sollte man wohl sein«, sagte Eva.
    »Genau! Plötzlich passiert es!«
    Donald kam zurück.
    »Habt ihr eine Gewerkschaftsgruppe gegründet?«
    »Haben wir, und du wirst Kassenwart.«
     
    Eva hatte an ihrem dritten Abend bisher am meisten zu tun. Eine Gesellschaft von sechzehn Personen stürmte schon gegen achtzehn Uhr das Restaurant. Sie hatten den ganzen Tag Golf gespielt und wollten jetzt essen und trinken. Eva kannte einen von ihnen, er war ein Klassenkamerad aus der Eriksbergs-Schule. Aber er erkannte sie nicht, oder er wollte sie nicht erkennen.
    |116| »Ich hasse Golfer«, flüsterte Tessie.
    Nach dieser Gruppe, die nicht angemeldet war und der Bar und der Küche ordentlich viel Arbeit bescherte, kamen und gingen bis einundzwanzig Uhr unablässig die Gäste. Zum Glück arbeitete auch Johnny, sodass sie zu viert waren, drei Köche und ein Lehrling.
    Tessie hatte Gelegenheit, ihre Kenntnisse unter Beweis zu stellen. Eva hatte rasch bemerkt, dass der andere Kellner, Gonzo, sich nicht gerade überschlug. Seit der Kündigung lief er meist rum und murmelte was von den beiden »Faschisten«. Es wurde noch schlimmer, als Slobodan gegen zwanzig Uhr auftauchte und an der Bar ein Glas Grappa trank.

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