Rote Lilien
ihrer Augen. Geheimnisvoll und rätselhaft im zuckenden Licht des Gewitters draußen. Wenn er sie ansah, hatte er seine Zukunft vor Augen. Wenn er sie berührte, wurde ihm die schlichte Schönheit des Augenblicks bewusst. Sein Mund schmeckte ihre Lippen, ihre Haut, ihren langen Hals, die sanfte Wölbung ihrer Brust.
Harper spürte ihr Herz klopfen, so gleichmäßig und kräftig wie der Regen draußen. Geführt von ihren Seufzern glitten seine Hände und Lippen über ihren bebenden Körper, der im Halbdunkel schimmerte. Ihre zitternden Muskeln sagten ihm, dass sie bereit war.
Sanft presste er seine Lippen auf ihren Bauch. Dann legte er seine Wange auf die Stelle, nur für einen Moment, voller Ehrfurcht vor dem, was in ihr wuchs. Ihre Hand fuhr über sein Haar und streichelte ihn. »Der mittlere Name muss Harper sein«, murmelte sie. »Egal, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird, und egal, für welchen Vornamen wir uns entscheiden, es ist wichtig, dass wir den Namen Harper weitergeben.« Er hauchte ihrem Kind noch einen Kuss zu. »Was hältst du von Cletis? Cletis Harper Ashby.« Er musste an sich halten, um nicht zu lachen, als ihre Hand erstarrte.
»Das ist ein Witz, oder?«
»Cletis oder Hermione, wenn es ein Mädchen wird. Heutzutage heißen einfach viel zu wenige Mädchen Hermione.« Er arbeitete sich küssend an ihr hoch, bis seine Lippen über den ihren schwebten. »Es wird dir noch Leid tun, wenn mir einer dieser Namen gefällt und ich darauf bestehe. Dann wird dir das Grinsen schon vergehen.«
»Vielleicht Clemm«, murmelte er, während er ihre Mundwinkel mit kleinen Küssen überzog. »Oder Gertrude.«
Hayley bohrte ihm ihre Finger zwischen die Rippen. »Es sieht ganz danach aus, als müsste ich darauf achten, die Geburtsurkunde selbst auszufüllen. Vor allem, weil ich finde, dass wir bei Blumennamen bleiben sollten. Zurzeit finde ich Begonia am schönsten.«
»Und wenn es ein Mädchen wird?«
Sie packte seine Ohren und zog, gab aber gleich darauf auf und fing an zu lachen. Und lachte immer noch, als er in sie eindrang.
Sie hatte sich an ihn gekuschelt und war kurz davor, einzuschlafen. Das Trommeln des Regens war Musik in ihren Ohren, ein Wiegenlied, das sie in den Schlaf begleitete. Sie stellte sich vor, wie sie auf ihn zuging, während ihr langes weißes Kleid im Sonnenlicht schimmerte und rote Lilien wie ein Kind in der Beuge ihres Arms lagen. Und er würde schon auf sie warten, um ihre Hand zu nehmen und ihr das Eheversprechen zu geben. Um den Bund der Ehe mit ihr einzugehen, der für immer war. Bis dass der Tod euch scheidet.
Nein. Hayley wälzte sich im Bett herum. Sie wollte an ihrem Hochzeitstag nicht den Tod erwähnen. Kein Versprechen geben, das sich darauf bezog. Der Tod brachte Schatten, und Schatten sperrten die Sonne aus.
Leere Versprechungen. Auswendig gelernte Worte, die man sowieso nie halten würde. Wolken, die sich vor die Sonne schoben, und Regen, der aus dem Weiß ihres Gewands ein schmutziges, trübes Grau machte. Es war kalt. Doch in ihr brannte eine solche Hitze. Hass war wie ein Ofen, und das Feuer darin wurde von ihrer Wut geschürt. Wie seltsam, dass sie sich jetzt so lebendig fühlte, so ungeheuer lebendig.
Das Haus lag im Dunkeln. Es war ein Grab, und alle darin waren tot. Nur ihr Kind lebte. Es würde für immer leben. Bis in alle Ewigkeit. Sie und ihr Sohn würden für immer leben, sie würden bis ans Ende ihrer Tage zusammen sein, während die anderen verfaulten.
Das war ihre Rache. Ihre einzige Aufgabe.
Sie hatte Leben gegeben. Es war in ihrem Leib gewachsen und unter Schmerzen, großen Schmerzen in diese Welt gekommen. Sie ließ es sich nicht nehmen. Es gehörte ihr. Für immer. Sie würde im Haus den rechten Augenblick abwarten, zusammen mit ihrem Sohn. Und dann würde sie die wahre Herrin von Harper House sein. Nach dieser Nacht würden sie und James nie wieder getrennt sein. Der Regen durchnässte sie, während sie leise summend durch den Garten ging und der Saum ihres Nachthemds durch den Schlamm schleifte. Im Frühling würden sie im Garten spielen. Und ihr Sohn würde lachen. Blühende Blumen, singende Vögel, nur für sie. Tee und Kuchen für ihren Jungen. Bald, sehr bald, ein endloser Frühling für sie. Sie ging durch den Regen und suchte sich ihren Weg durch die Nebelschwaden hindurch. Hin und wieder meinte sie, Geräusche zu hören - Stimmen, Lachen, Weinen, Geschrei. Und manchmal glaubte sie, aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung zu
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