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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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weniger
beharrlich, jedoch nicht weniger drängend.
    Er zog Lee auf das Streitroß zu. Es riß an seinem
Haltestrick und schlug mit der Wildheit einer Schlange nach den
beiden Kadern.
    Guoquiang stürzte. Lee sprang vor, hämmerte auf die
glatte Haut hinter dem Ohr des Hers, wo die Nerven sich
bündelten, rief das Kommandowort und machte einen Satz in den
hohen schmalen Sattel.
    Xiao Bing warf einen Segeltuchpacken hinauf. Lee griff ihn mit
einer Hand und befestigte ihn am Sattel. Xiao Bing rief etwas, das in
einer Explosion unterging, welche die Basis der Kuppel traf und Staub
und Schutt versprühte. Die ganze Struktur ächzte, und Lee
hörte Trümmer in die überfluteten Felder
klatschten.
    Xiao Bing hob die Hand zum Gruß und schnitt dann das
Halteseil des Streitrosses durch.
    Das Streitroß wäre durchgegangen, doch Lee zog heftig
an den Zügeln und zwang ihm den Kopf auf den Boden. Dann bellte
er ein Kommandowort, ließ das Tier frei, und es sprang
vorwärts. Die Anarchistin stand inmitten wirbelnden Staubs,
Rauchs und einander kreuzenden Lichtstrahlen. Lee beugte sich herab,
packte sie an der Hüfte und hob sie vor sich auf den Sattel,
während das Streitroß über den zerfetzten Kuppelrand
hinaus in die volle Gewalt des Sturms sprang.

 
     

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13
     

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    Das Streitroß schoß in die heulende Düsternis
hinein, wobei es andere Sinne als den Gesichtssinn gebrauchte. In
wenigen Augenblicken trug es Lee und die Anarchisten-Pilotin durch
den Kreis des Hinterhalts und stürmte durch die
Sauertümpel. Innerhalb einer Stunde lagen die Sauertümpel
eine weite Strecke zurück, und das Streitroß galoppierte
das Rote Tal hinab, in dichtem fegenden Staub und einem
Dämmerlicht, das brannte wie Schwefel.
    Lee und die Anarchistin ritten den Rest des Tages und warfen sich
bei Einbruch der Nacht in den kärglichen Schutz eines
Überhangs, zu erschöpft, um mehr zu tun, als wenige Worte
zu wechseln und Pastenrationen hinunterzuschlingen, ehe sie in den
Schlaf fielen.
    Der Wind blies durch Lees Träume, radierte die Vergangenheit
aus. Er blies noch immer heftig, als Lee halb unter Staub vergraben
erwachte. Ockerfarbenes Licht schien von jenseits der Kante des
Überhangs. Die Anarchisten-Pilotin – ihr Name war, wie sie
ihm gesagt hatte, Miriam Makepeace Mbele – hatte sich auf einen
Ellbogen gestützt und beobachtete ihn. Er konnte ihr Gesicht
hinter der Atemfiltermaske kaum erkennen, und sie mußte
schreien, um über den Wind hinweg gehört zu werden.
    »Zeit zu gehen!«
    »Ich möchte wissen…«
    »Später! Wenn wir überleben! Andernfalls spielt es
keine Rolle!«
    Drei Tage lang reisten sie durch den heulenden Sturm, hielten nur
zum Schlafen an. Das Streitroß kanterte mit flüssigen
dreißig oder vierzig Kilometern die Stunde, und Lee ließ
es seinen eigenen Weg nehmen. Er war high von den wehenden
Vorhängen aus Staub, die sich beständig teilten und mit
derselben fliegenden Pseudokomplexität umherwirbelten, die dem
unfokussierten Auge gestatteten, im Feuer Bilder von Salamandern zu
erzeugen. Lee sah Geister seiner Vergangenheit, vage Formen, die
Vorahnung seiner Zukunft sein mochten. Der Staub erzeugte beim
Vorüberhuschen ein flüssiges, geschmeidiges Zischen, und er
arbeitete sich in jede Hautfalte hinein, bis er in Gestalt brennender
Stiche lebendig wurde.
    Die Anarchisten-Pilotin klammerte sich mit einem grimmigen
Schweigen an Lee. Sie war verletzt und krank. Immer wieder beugte sie
sich heraus, hob ihre Atemfiltermaske und erbrach Blut in den
staubigen Sturm. Sie ertrug dies stoisch.
    Lee erfuhr wenig mehr über sie; der Sturm machte jeden
Versuch eines Gesprächs zunichte. Sie verbrachten die zweite
Nacht in eine tiefe niedrige Höhle gedrückt, kaum mehr als
ein Spalt in der unterhöhlten Basis der Felsen; die dritte Nacht
ohne jeglichen Schutz, außer einer Plastikplane, die mit
Steinen festgehalten wurde – und mitten in der Nacht erwachten
sie inmitten kreischenden Winds und Staubs, und die Plastikplane war
verschwunden. Sie tasteten sich ihren Weg zu dem Streitroß und
drückten sich gegen dessen Flanke. In jener Nacht fanden sie
keinen Schlaf mehr, doch der Sturm hielt sie vom Sprechen ab, und er
stieg am nächsten Tag in der Lautstärke an. Das
Streitroß verlangsamte vom Kantern zum Trab und dann zu einem
Kriechschritt, während es sich gegen die brüllenden
Staublaken stemmte. Als Lee irgendwann gegen Mittag das
Flechtenwäldchen erblickte – ein Mittag nicht heller als
die Dämmerung

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