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Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Signe Danielsson , Roman Voosen
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ist, bekommen Menschen Angst und werden schwach. Nur so kann sich hasserfülltes und fremdenfeindliches Gedankengut verbreiten. Faschismus ist das Kind des Kapitalismus.«
    »Was bitte?«, fragte Forss.
    »Die nutzen uns aus. Die da oben, die die Kohle haben«, sagte der Junge ernsthaft. Noch immer wirkten seine Augen riesig. »Das Kapital halt«, fügte er an. »Sie hetzen die Arbeiter gegeneinander auf und nutzen die Arbeitslosigkeit, um das Proletariat zu zerschlagen, dabei entstehen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.«
    Kapital, Proletariat, Arbeitslosigkeit: Forss dachte an das dicke, zerlesene Buch, das sie aus Dahlins Wohnung mitgenommen hatte, Marx.
    »Was habt ihr denn so gemacht, wenn ihr euch getroffen habt?«
    »Na, diskutiert. Gemeinsam gelesen. Ideen entwickelt. Einmal haben wir eine Demonstration organisiert, ein anderes Mal eine Podiumsdiskussion. Politik halt.«
    »Und diese Ideen, die ihr entwickelt habt, wovon handelten die?«
    Åhsberg sah sie jetzt an, als würden ihr Zweige aus den Ohren wachsen. Oder als habe sie den Verstand verloren.
    »Na, von Umverteilung natürlich. Von oben nach unten. Von arm nach reich. Es geht uns um Gerechtigkeit. Oder glaubst du etwa, wir leben in der besten aller möglichen Welten?«
    Seine Stimme war lauter geworden als vorher.
    »Wohl nicht«, sagte Forss zögerlich. Irgendwie hatte sie noch nie über diese Frage nachgedacht. »Immerhin ist Schweden doch ein Wohlfahrtsstaat.«
    Åhsberg lachte auf. Es klang verächtlich. »Ach, ja?« Er griff nach seiner Getränkedose und trank sie aus, dann zerdrückte er sie und ließ sie auf den Boden fallen. »Du hast wohl in den letzten zwanzig Jahren in einem anderen Land gelebt!«
    »Ja«, sagte Forss. »Stimmt.«
    »Echt?«
    Jetzt sah Åhsberg verdutzt aus.
    »Janus Dahlin«, sagte Forss.
    Der Junge sagte wieder lange nichts. Er hatte sich weit auf seinem Stuhl zurückgelehnt und sah an die Decke. Sein Blick schien leer, vielleicht dachte er aber auch nach.
    »Die meisten aus unserer Runde reden viel«, sagte er endlich. Seine Stimme hatte sich verändert, war jetzt kräftiger als vorher. »Über die kaputte Welt. Über Kapitalismus und Globalisierung und die Revolution, die doch nie kommen wird. Laber, laber.« Eine fahrige Handbewegung, dann glitt ein Lächeln über sein Gesicht. »Nur Janus war da irgendwie anders. Ich meine, klar, auch er hat viel gesprochen. Er war ein guter Redner und so, rhetorisch stark. Kein Wunder, als Lehrer war er es wohl gewohnt, vor anderen zu reden. Zu argumentieren, Menschen zu überzeugen.«
    Joel Åhsberg hatte sich jetzt nach vorne gebeugt und griff nach einer der geschnitzten Tierfiguren vom Tisch. Es war ein Tiger oder ein Leopard oder eine andere Raubkatze.
    »Aber?«, bohrte Forss.
    Von draußen, hinter der dicken Glasscheibe des Containers, hörte man den dumpfen Aufprall eines gefallenen Baumriesen, dann kreischten wieder Sägen.
    »Aber Janus war irgendwie trotzdem anders als wir.«
    »Inwiefern?«
    »Er meinte immer alles, was er sagte. Er meinte immer alles zu einhundert Prozent ernst.« Åhsberg kratzte sich nachdenklich mit der Schnauze des Holztiers an der Schläfe. »So, als wäre er auch ein Mann der Tat, wenn es drauf ankommt.«
    4
    Hugo Delgado gähnte zum wiederholten Male. Er hatte bis weit in die Nacht hinein an seinem PC gesessen und ein Rollenspiel gespielt. In World Of Warcraft hieß er Rune und war ein mordender, brandschatzender Ork; in der Realität ein übermüdeter Polizeibeamter, der vor einer Herkulesaufgabe stand. Vor ihm auf seinem Schreibtisch lag eine vierseitige Liste, auf der die dreiundfünfzig Teilnehmer des Turniers für historisches Bogenschießen mit den Adressen und biografischen Kurzangaben aufgeführt waren, die sie zu Protokoll gegeben hatten. Daneben hatte er den Lebenslauf gelegt, den er am Vortag von Janus Dahlin erstellt hatte. Und nun galt es nach Gemeinsamkeiten zu suchen, nach Parallelen, Überschneidungen, dem missing link , wenn es denn überhaupt einen gab. Delgado überlegte. Es gab verschiedene mögliche Vorgehensweisen. Am systematischsten wäre es, von jedem der dreiundfünfzig Bogenschützen ein detailliertes Profil zu erstellen und mit Dahlins Vita abzugleichen. Aber selbst wenn er dafür ein Team von drei, vier routinierten Datenanalytikern um sich gehabt hätte, wäre das eine Arbeit, die mehrere Tage in Anspruch nehmen würde. Und die Verstärkung, die Erik Edman am Morgen zugesagt hatte, zwei Informatiker aus der Abteilung

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