Roulette des Herzens
der freien Hand die Waffe hielt.
Ruhig hatte Sara sie betrachtet und darüber nachgegrübelt, wie besessen Lady Ashby von Derek war. Lady Ashby war verrückt oder doch zumindest geistig nicht ganz in Ordnung. Sie wirkte wie ein grausames, selbstsüchtiges Kind im Körper einer Erwachsenen, das nur das eigene Leben schätzte und keine Reue über sein Verhalten empfand. Konsequenzen dessen, was sie tat, schien sie nicht zu sehen.
Warum hatte man ihr gestattet, sich ungehindert zu bewegen und solches Leid zu verursachen? Bestimmt wusste Lord Ashby, wie seine Frau sich aufführte. Sara überlegte, was für ein Mann er sein mochte, und warum er seine Gattin nicht schon längst in Griff gekriegt hatte.
Der Kutscher machte die Wagentür auf und schaute herein. Sein Aussehen ließ nicht auf sein Alter schließen. Er hatte ein dünnes, bärtiges Rattengesicht. Seine hellen Augen blickten nervös erst auf die Pistole, dann Lady Ashby ins Gesicht. »Mylady?« fragte er.
»Wir steigen aus«, antwortete sie. »Bleiben Sie hier, bis ich zurück bin.«
»Ja, Mylady.«
Eindringlich starrte Sara ihn an und sagte hastig: »Das dürfen Sie nicht zulassen. Seien Sie kein Narr Sie sind vor dem Gesetz dafür verantwortlich, was mit mir geschieht. Und wenn Sie nicht vor Gericht kommen sollten, wird mein Gatte von Ihnen Rechenschaft verlangen.«
Der Mann zuckte zusammen, ignorierte ihre Worte und verschwand.
»Steigen Sie aus!« befahl Joyce und gestikulierte mit der Pistole.
Sara verließ den Wagen. Von der langen Fahrt hatte sie steife Beine bekommen. Sie warf dem Kutscher, der zum Gespann gegangen war, einen Blick zu. Da er offenbar kein Gewissen hatte, an das sie hätte appellieren können, versuchte sie es mit einer Drohung: »Mr. Derek Craven ist mein Mann, und wenn er herausfindet, was geschehen ist, wird er nicht ruhen, bis Sie ihm dafür gebüßt haben.«
»Er wird nichts tun, um Ihnen zu helfen«, warf Joyce ein und stieß Mrs. Craven mit der Pistole an. »Gehen Sie!«
Der Weg wurde von der Kutschlampe beleuchtet, die Lady Ashby in der Hand trug. Man näherte sich dem mittelalterlichen Bau, der kaum mehr war als ein Haufen Steine. Fenster und Türen waren eingebrochen und verliehen dem befestigten Haus das Aussehen eines Rachens, in dem etliche Zähne fehlten Langsam betrat Sara die Haupthalle. Verschreckt durch die Anwesenheit der Eindringlinge, huschten Mäuse davon, und Ungeziefer verschwand in alle Richtungen.
Verärgert über Mrs. Cravens zögernden Schritt hob Joyce die Waffe und stieß die Gefangene zu den geborstenen Stufen, die den Turm hinaufführten. »Da hinauf!« sagte sie brüsk.
Langsam stieg Sara auf die erste Stufe. Vor Angst hatte sie einen trockenen Mund bekommen. Der Schweiß brach ihr aus. »Warum?«
»Oben ist ein Raum, der verriegelt werden kann. Dort werde ich Sie festhalten. Sie werden mein persönliches Spielzeug sein. Von Zeit zu Zeit werde ich kommen, Sie besuchen und Ihnen alles über Ihren Mann erzählen. Wir werden herausfinden, wie lange er um Sie trauert, und wie lange er braucht, ehe er wieder in mein Bett kriecht.«
Joyce hielt inne und fügte nach einem Moment großmütig hinzu: »Vielleicht bringe ich Ihnen sogar verschiedene Möglichkeiten bei, mir Vergnügen zu bereiten, und Sie werden mir genau erklären, was Ihr Mann so aufregend an Ihnen findet.«
»Sie sind widerlich«, sagte Sara wütend.
»Das sagen Sie jetzt, doch nach einigen Tagen werden Sie tun, was ich will, damit Sie zu essen und zu trinken bekommen.«
Alles in Sara drängte sie, endlich zu handeln. Eher wollte sie jetzt sterben, als unbestimmte Zeit einer Verrückten ausgeliefert zu sein. Sie musste sofort etwas unternehmen, ehe man beim Turmzimmer war. Nach einigen weiteren Schritten täuschte sie vor, auf dem Treppenabsatz zu stolpern. Rasch drehte sie sich um und griff nach Lady Ashbys Arm.
Joyce reagierte darauf mit wütendem Zischen und bemühte sich, die Pistole festzuhalten. Sie ließ die Kutschlaterne fallen und versuchte, Mrs. Craven das Gesicht zu zerkratzen. Bei dem brennenden Schmerz schrie Sara auf und versuchte, Lady Ashby die Pistole zu entwinden. Verzweifelt rang sie mit ihr und kollerte mit ihr die Treppe hinunter. Der harte Aufprall mit dem Kopf auf den steinernen Stufen machte sie benommen, aber sie ließ Lady Ashbys Arm nicht los, auch dann nicht, als sie merkte, dass deren Hand mit der Pistole sich zwischen ihnen beiden befand.
Jäh dröhnten ihr die Ohren durch den Knall.
Ihr erster
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