Roulette des Herzens
einen so großen Mann tat er das ungemein graziös. Seiner Miene war nicht zu entnehmen, dass er Sara erkannt hatte.
An seiner robusten und virilen Ausstrahlung hatte sich nichts geändert. Seine Haut hob sich so braun wie die eines Freibeuters vom schneeweißen Krawattentuch ab. Die Narbe war verblasst, so dass seine eindrucksvollen grünen Augen das Bemerkenswerteste an seinem Gesicht waren. In einem so kleinen Raum mit all diesen hochgeborenen Herren wirkte er wie ein Panther, der Hauskatzen Gesellschaft leistete. Sara wäre nicht imstande gewesen, ein Wort zu äußern, um ihr Leben zu retten. Ihr Mund fühlte sich staubtrocken an.
Die anderen Anwesenden konnten nicht umhin, die jäh eingetretene, spannungsgeladene Stille zu bemerken. Einige tauschten Blicke, und so manche Augenbraue wurde vielsagend hochgezogen. Eine ungute Vorahnung überkam Sara, als Lord Wolverton sich ihr näherte. Langsam hob sie den Blick und starrte Lady Wolvertons imposanten Gatten an, dessen breitschultrige Gestalt sie und die Countess der Sicht der anderen Männer entzog.
Die Züge seines Adlergesichts wurden etwas durch die grauen, sie freundlich anblickenden Augen gemildert. Er lächelte, ergriff Saras Hand und drückte sie zwischen seinen breiten Händen. Das war ein unerwarteter Bruch der Förmlichkeit. »Wir sind glücklich, dass Sie durch Ihre Anwesenheit unser Haus beehren, Miss Fielding.« Er warf seiner Gattin einen ironischen Blick zu. »Ich nehme an, meine Gemahlin hat Ihnen bisher nicht einmal einige Minuten Zeit gelassen, damit Sie sich nach der Reise erfrischen konnten.«
»Ich wollte Miss Fielding soeben zu ihrem Zimmer begleiten«, nahm Lily sich in gedämpftem Ton in Schutz, während die Herren sich wieder dem Spiel widmeten. »Aber erst musste ich hier herkommen. Ich konnte euch alle doch nicht ohne Erklärung im Stich lassen, nicht wahr?«
Alexander ließ Miss Fieldings Hand los, zog die Gattin an sich und kraulte sie unter dem Kinn. »Ich weiß genau, was du vorhast«, erwiderte er warnend und so leise, dass kein Außenstehender ihn hören konnte. »Meine schöne, aufdringliche kleine Drangsaliererin! Konntest du nicht wenigstens einmal zulassen, dass andere Leute sich selbst um ihre Angelegenheiten kümmern?«
Sie grinste ihn verschmitzt an. »Nein, nicht solange ich das besser erledigen kann.«
Er strich ihr leicht mit dem Daumen über das Kinn.»Das ist ein Standpunkt, meine Süße, den Derek nicht mit dir teilt.«
Sie beugte sich näher, zum Gatten und raunte ihm etwas für Sara Unverständliches zu.
Sara wandte den Blick ab, als die beiden sich etwas entfernten und flüsternd unterhielten. Sie wollte ein Gespräch nicht belauschen, das nicht für ihre Ohren bestimmt war. Dennoch fing sie einige aufschlussreiche Gesprächsfetzen auf.
»Derek weiß nicht, was gut für ihn ist«, sagte die Countess. »Sorge sollte sein, was für Miss Fielding gut ist…«
»Aber du begreifst nicht, wie…«
»Aber…«
« … begreife nur zu gut«, sagte der Earl, und dann starrten er und seine Gattin sich herausfordernd an.
Sara fühlte sich erröten. Zwischen den Gastgebern bestand eine augenfällige Zuneigung, die sie sich wie eine ungebetene Zuschauerin bei einer intimen Szene vorkommen ließ.
Es war klar, dass Lord Wolverton gern noch mehr zu seiner Gattin gesagt hätte. Widerstrebend ließ er sie jedoch los und bedachte sie mit einem tadelnden Blick. »Benimm dich!« gab er ihr dadurch stumm, aber unmissverständlich zu verstehen. Die Countess zog ein Gesicht, sah an ihm vorbei und winkte Lord Lansdale und Lord Aveland zu. »Genießen Sie das Spiel«, rief sie ihnen zu. Sie antworteten mit zustimmendem Gemurmel. Mr. Craven schwieg und ignorierte kühl, dass die Damen den Raum verließen.
Niedergeschlagen folgte Sara ihr den Korridor entlang, der mit einem Teppich ausgelegt war. Mr. Cravens eisige Art war eine sehr unangenehme Überraschung gewesen. Im Stillen tadelte sie sich, weil sie gedacht hatte, er werde sich freuen, sie zu sehen. Nun jedoch war es wahrscheinlich, dass er sie das ganze Wochenende hindurch ignorieren würde.
Man näherte sich einer Reihe von im Westflügel gelegenen Gästesuiten. Zu jedem Apartment gehörten ein Ankleidezimmer und ein Salon. Saras Zimmer war in lavendelfarbenen und gelben Pastelltönen gehalten. Vom Fenster, an dem geteilte Vorhänge angebracht waren, sah man den prächtigen Garten. Sara ging zu dem auf vier kanellierten Pfosten ruhenden Himmelbett und berührte den
Weitere Kostenlose Bücher