Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)
kennengelernt«, sagte er leichthin. »Mir scheint, Phin hat sich eine Cousine zugelegt.« Damit warf er dem anderen Mann einen Blick zu, den sie nicht deuten konnte.
Das fasste der Earl als Aufforderung auf, sich ihnen zu nähern. Sie erkannte ihn sofort: Es war der Mann, der Mrs Chudderley vom Ball bei den Stromonds nach Hause gebracht hatte. Er war schlank und groß, und alles an ihm war braun: seine Augen, seine Haare, seine sonnengebräunte Haut.
Als James sie miteinander bekannt machte, beugte er sich förmlich über ihre Hand. »Lyd, der Earl von Ashmore. Phin, Miss Boyce. Seid nett zueinander, und streitet euch nicht. Ihr seid beide zu stur, um mit Würde zu verlieren.«
Lord Ashmore lächelte sie ironisch an, während er sich wieder aufrichtete. »Keine Angst, Miss Boyce. Wir sind zwar alte Freunde, aber meine Manieren habe ich anderswo gelernt.«
Sie erwiderte sein Lächeln, konnte sich jedoch einen fragenden Blick zu James nicht verkneifen. Er interpretierte ihn richtig und zuckte mit den Achseln. »Da Phin nichts mit den Fälschungen zu tun hat, erschien es mir sicherer, dich hierherzubringen. Und da ist noch etwas. Aber setz dich doch erst, Lyd. Du musst schreckliche Kopfschmerzen haben.«
Sie ließ sich von ihm zu einem Sessel am Kamin führen. Als sie sich niederließen, sahen die beiden sie ernst an. Ihre Stimmung war umgeschlagen. Vielleicht war ihr irgendetwas entgangen, schließlich fühlte sie sich immer noch desorientiert. Verwirrt rieb sie sich das Gesicht. »Ich habe keine Ahnung, wie ich hierhergekommen bin«, gestand sie.
James rutschte auf seinem Sessel weiter nach vorn, sodass sein Knie bis in ihre Röcke ragte. »Das war ganz leicht. Es gibt keine einfachere Methode, sich in der Warteschlange für eine Droschke vorzudrängeln, als flankiert von zwei Polizeiinspektoren und mit einer ohnmächtigen Frau in den Armen aufzukreuzen.«
»Die Polizei war da?« Sie entspannte sich. »Dann haben sie die Männer ja gefasst. Wer waren sie? Diebe? Sklavenhändler?«
Sein Lächeln war sonderbar. »Oh, gefasst haben sie sie. Aber nicht für lange. Bis ich dich hier untergebracht hatte und bei Scotland Yard ankam, hatten sie sie wieder freigelassen.«
»Freigelassen?« Sie starrte ihn entsetzt an. »Aber … warum in aller Welt? Immerhin haben sie versucht, mich zu entführen!«
»Allerdings.« Wieder warf er dem Earl einen Blick zu. »Und hier kommt Phin ins Spiel. Bevor der Titel über ihn kam wie die Pest, hat er sich sogar nützlich gemacht.«
»So kann man es auch nennen«, warf der Earl trocken ein.
Sie hatte noch zu schlimme Kopfschmerzen, um solch obskure Anspielungen zu verstehen. »Drück dich bitte deutlicher aus«, sagte sie. Und dann fiel ihr ganz plötzlich James’ mitleidige Miene auf. Ihr schnürte sich die Kehle zu. »Oh nein«, flüsterte sie. »Sag nicht, dass es etwas mit meinem Vater zu tun hat.«
James erwiderte ihren Blick. Sein Gesichtsausdruck war zwar ruhig, doch die Narbe, die seine Augenbraue teilte, verriet ihn: Sie war knallrot. »Phin hat Erkundigungen eingezogen. Um es kurz zu machen: Deine Angreifer stehen bei der Regierung in Lohn.«
Sie musste sich verhört haben. Sie warf dem Earl einen fragenden Blick zu, der angesichts von James’ Behauptung keinerlei Überraschung zeigte. Schließlich betrachtete sie eingehend ihren Schoß. Ihre Finger waren gelenkiger, als sie je vermutet hätte: Sie verschränkten sich so fest, dass ihre Fingerknöchel blutleer aussahen.
Sanburne berührte sie am Knie. Lange, starke Hände, lächerliche Ringe. Er erwies ihr Freundlichkeit, doch sie legte keinen Wert darauf. Ihrer Erfahrung nach lag das nur allzu oft in Mitleid begründet. »Sag es mir«, verlangte sie.
Der Earl räusperte sich. »Ich setze großes Vertrauen in James. Wenn er sagt, dass man Ihnen vertrauen kann, glaube ich ihm. Also werde ich Ihnen im Vertrauen sagen, dass ich mit einem der beiden Männer, die Sie heute überfallen haben, einmal zusammengearbeitet habe. Es war keine angenehme Erfahrung. Normalerweise wird er angeheuert, um mit Schwierigkeiten fertig zu werden, die zu unangenehm sind, um sie über offizielle Kanäle zu erledigen.« Sein Ton wurde freundlicher. »Seine Beteiligung ist keine gute Nachricht für Sie, Miss Boyce. Sie können von Glück sagen, dass er davon ausging, Sie würden alleine reisen. Ich glaube, James hat ihn überrumpelt.«
Was für eine außerordentliche Stimme er doch hatte – so tief und warm, dass sie dazu gezwungen war,
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