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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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südlich von hier. Was ich gehört habe, haben sie den Helikopter genommen. Rowan war früher Wing Commander bei der Royal Air Force.«
    »Ich habe nichts gemerkt.«
    »Allerdings.« Chester seufzte. »Der Colonel hat gesagt, ich soll Ihnen das hier geben.« Sie reichte Eschenbach einen Umschlag.
    Eschenbach nahm ihn entgegen. Er hatte bereits das Messer zur Hand genommen, um den Brief zu öffnen, als er bemerkte, wie Chester leise zu schluchzen begann. Sie wandte ihr Gesicht von ihm ab und ging in Richtung Küche.
    Eschenbach stand auf und folgte ihr. »Ist etwas nicht in Ordnung?« Auf halbem Weg hatte er sie eingeholt.
    »Es ist nichts.« Sie fuhr sich mit dem Ärmel über die Augen.
    »Von nichts gibt’s keine Tränen.« Eschenbach legte behutsam seine Hand auf ihre Schulter. »Am besten, Sie setzen sich und erzählen mir, was vorgefallen ist.«
    Eschenbach führte die alte Frau zurück zur Sitzgruppe und setzte sich neben sie auf die Couch. Es verging eine knappe Viertelstunde, bis er Chester tatsächlich so weit hatte, dass sie sich ihm anvertraute. »Vermutlich steht etwas in diesem Brief.« Sie deutete mit einer fahrigen Handbewegung in Richtung Umschlag, der noch immer ungeöffnet auf dem Tisch lag.
    »Hat der Colonel Sie gekränkt?«, wollte Eschenbach wissen.
    »Ganz im Gegenteil.« Chester blickte ihn aus wässerigen Augen an. »Er hat mich umarmt. Vielleicht klingt das jetzt seltsam für Sie … aber das hat er noch nie getan. Die ganzen Jahre über nicht, seit ich für ihn arbeite.«
    »Hat er etwas gesagt, etwas Ungewöhnliches, meine ich.«
    »Dass ich mir keine Sorgen machen soll … und dass Judith zurückkommt und sich um mich kümmern würde.«
    »Judith?«
    Chester stieß einen tiefen Schluchzer aus.
    Eschenbach blickte auf den Umschlag. Er hätte ihn am liebs­ten auf der Stelle geöffnet und gelesen. Aber angesichts Chesters Verfassung entschied er sich zu warten.
    »Sie mögen Judith, nicht wahr?«
    Die alte Frau nickte.
    Fieberhaft suchte Eschenbach nach einem weiteren Anknüpfungspunkt. Warum kam ihm nichts in den Sinn? Er war nicht vorbereitet auf dieses Gespräch. Auf überhaupt nichts in dieser ganzen Geschichte war er vorbereitet gewesen.
    Seine Begegnung mit Banz … die Anstellung bei Duprey, die amateurhaften Recherchen, die er zusammen mit Bruder John betrieben hatte. Und dann Lenz, der wie ein Phönix aus der Asche plötzlich wiederaufgetaucht war und ihn, Eschenbach, zu dieser Reise nach Irland angestiftet hatte.
    Oder war er selbst darauf gekommen?
    Wie immer der Fall auch lag: Der ganze Weg, der ihn bis auf dieses Landgut nach Irland geführt hatte, war eine einzige Irrfahrt. Und zu keinem Zeitpunkt, gestand sich der Kommissar ein, war er wirklich Herr der Lage gewesen.
    Es war eine Holzzockel-Expedition!
    Der Kommissar riss sich zusammen und richtete sich etwas auf; er sah direkt in das aufgewühlte Gesicht Chesters.
    »Weiß Judith eigentlich, wer ihr Vater ist?«
    Energisch schüttelte die alte Frau den Kopf.
    »Aber vermutlich hat sie ihn gesucht. Und dass sie sich am Ende bei Duprey anstellen ließ … Da liegt es doch auf der Hand, dass sie ihn gefunden hat?«
    »Das ist unmöglich!«
    Chester sah den Kommissar überrascht an. »Judith wollte nicht zu dieser Bank. Es war Ernests Idee. Er hat Judith immer wieder versucht zu überreden.«
    Eschenbach fiel auf, dass Chester den Colonel zum ersten Mal beim Namen nannte.
    »Sie haben sich gestritten deswegen. Es war wie eine fixe Idee … Ernest wollte Judith unbedingt in der Bank haben. Er brauchte jemand, dem er vertrauen konnte. Die Bank gehört ihm, das wissen Sie jetzt ja. Aber Judith mochte keine fixen Ideen.«
    »Dann war Judith öfter hier?«
    »Ein paarmal pro Jahr.« Chester rieb sich die Wangen trocken. »Auch wenn sie von Ernests Angelegenheiten nichts wissen wollte und ihren eigenen Weg ging – sie mochte Annie’s Landmark. Sie fühlte sich wohl hier … bis diese Geschichte mit Duprey angefangen hat.«
    Eschenbach stutzte. »Sie meinen, bis Judith dort ihre Stelle angetreten hatte.«
    »Ja, und bis dieses schreckliche Unglück passiert ist.« Sie sah auf den Brief des Obersten: »Aber vielleicht steht da etwas dazu drin.«
    Eschenbach öffnete den Umschlag, entfaltete das Papier und las den ersten Satz. Dann hielt er inne, sah Chester fest an und meinte:
    »Das ist nicht seine Handschrift.«
    »Aber doch!«
    Der Kommissar schüttelte bestimmt den Kopf. Er hatte die Briefe gelesen, die der Oberst an Bruder

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