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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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Da haben die schon dafür gesorgt, die Affen … Es gelten besondere Vorkehrungen: Status F, das bedeutet nur Familienangehörige, amtliche Personen wie Staatsanwälte, Polizei … und dann die Personen, die mit Judiths Verteidigung beauftragt sind. Aber das bin ich auch nicht … Und natürlich medizinisches Personal und Geistliche.«
    Als Eschenbach sah, dass John nicht reagierte, ja nicht einmal ein einziges Wort sagte, fuhr er mit seinem Monolog fort.
    »Das ist natürlich alles eine Schikane … Man hätte ebenso anordnen können, dass einzig und allein ich sie nicht besuchen darf. Eine ›alle außer Eschenbach‹-Regel. Aber was soll’s? Die haben sich nicht wirklich viel gedacht, bei der Sache … weil, Sie sind doch ein Geistlicher!«
    Eschenbach sah John auffordernd an.
    Aber der Bruder schwieg.
    Seufzend zuckte Eschenbach die Achseln, dann sprach er mit vollem Mund weiter.
    »Das ist doch eine Bombenidee, Bruder, oder? Sie, mit Ihrer Kutte … Die müssen Sie dort reinlassen. Verstehen Sie, was ich meine? Eh?«
    John lächelte, stumm.
    Und endlich, wie ein Echo, das zuerst einmal um die Welt gegangen war, ereilte Eschenbach der Schlag. In peinlicher Ergriffenheit schaute er in die Runde. Er sah die schweigenden Münder der Bruderschaft und wie der ein oder andere ihm freundschaftlich zuzwinkerte. Der Kommissar senkte seinen Blick und schwieg nun ebenfalls.
    Als die beiden eine halbe Stunde später in den kühlen Morgen hinaustraten und gemächlich die Stufen des Kirchenportals ­hinunterschritten, da sagte John: »Jetzt dürfen Sie schon wieder reden.«
    »Es ist mir wirklich peinlich, John.« Der Kommissar fuhr sich durchs Haar und holte zweimal tief Luft: »Ich habe Sie da in eine völlig idiotische Lage gebracht.«
    »Keine Ursache.«
    »Sie nehmen meine Entschuldigung an?«
    »Auf jeden Fall. Und ich freue mich, mit Judith zu sprechen. Das ist wirklich eine gute Idee. Obendrein ist mir aufgefallen, dass Sie nicht mehr fluchen. Früher hätten Sie jetzt ›Scheiße‹ gesagt.«
    »Wirklich?«
    John nickte. »Und Sie sprechen wieder … sogar wenn man’s nicht tun sollte. Auch das ist ein gutes Zeichen. Ich habe den Eindruck, es sprudelt richtig aus Ihnen heraus.«
    »Na ja.« Eschenbach hob die Schultern. »Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.«
    Auf dem großen Platz vor der Kirche, der um diese Zeit, kurz nach Sonnenaufgang, normalerweise völlig leer war, stand ein Auto. Auf den ersten Blick sah es danach aus, als hätte am Vorabend ein vernünftiger Lenker seinen Wagen stehenlassen, weil er zu viel getrunken hatte. Aber so wie der Wagen da stand, quer zu den markierten Parkfeldern, schien es, als wäre gerade das Umgekehrte passiert. Jemand war mitten in der Nacht hergekommen und schlief nun seinen Rausch aus.
    »Wir müssen uns beeilen, sonst erreichen wir den Zug nicht mehr«, sagte John.
    Aber Eschenbach blieb wie angewurzelt stehen.
    »Heimatland«, flüsterte der Kommissar. »Das ist ja mein alter Volvo!«
    Konsterniert blickte John auf den ockergelben Wagen.
    »Bevor ich in die Ferien gefahren bin, habe ich ihn Rosa gegeben. Und dann hat sie mir diese SMS geschrieben, dass sie lieber mit der Tram fährt …« Eschenbach setzte sich wieder in Gang, übersprang die letzten drei Treppenstufen und eilte auf das Fahrzeug zu. »Und sie hat mich gefragt, ob sie die Karre Antonio geben darf … ihrem Halbbruder.«
    »Heiliger Antonio«, murmelte John. Mit seinen kurzen Beinen hatte er schon einige Meter an Eschenbach verloren.
    Die Scheiben waren von innen angelaufen.
    Der Kommissar konnte nicht erkennen, ob sich jemand im Wagen befand. Also drückte er die Falle, und weil ihm in diesem Moment in den Sinn kam, dass das Schloss klemmte, riss er ­daran wie ein Verrückter. Die Türe flog ihm beinahe um die Ohren.
    Hinter dem Steuerrad, auf dem heruntergekurbelten Sitz, mit einem Kissen im Nacken, lag ein Mann, das Gesicht halb verdeckt durch einen alten Strohhut.
    »Sind wir am Eidgenössischen?«, murmelte es unter dem Hut hervor. »Die Tür ist längst geflickt.«
    »Antonio!«, sagte Eschenbach und lachte laut auf.
    »So ein Blödsinn, dieser Antonio«, kam es ächzend zurück. »Es ist eigentlich ein Jammer, dass du diesen Mist überhaupt geglaubt hast. Rosa hat gar keinen Halbbruder.«
    »Die Herren kennen sich also«, seufzte Bruder John, der die beiden Männer abwechselnd ansah.
    »Allerdings.«
    Der Mann, der sich nun langsam aufrappelte, war Ewald Lenz. Mühsam schwang er seine

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