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Ruf der Drachen (German Edition)

Ruf der Drachen (German Edition)

Titel: Ruf der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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Erforschung von Menschen, die anders sind. Interessant für uns. Und für jemanden wie Maren Unger.«
    Ein unangenehmes Prickeln kroch mir den Rücken hinauf und setzte sich in meinem Nacken fest, während meine Gedanken ins Stolpern gerieten. Woher konnte Thiel wissen, was ich mir selbst jahrelang nicht hatte eingestehen können? Und vor allem, was sollte das heißen – interessant auch für jemanden wie Maren Unger?
    »Sie wissen, wovon ich rede, nicht wahr?«, fragte Thiel, der mich keine Sekunde aus den Augen ließ. »Sie nehmen Dinge wahr, die andere Menschen übersehen. Sie ermüden schneller als Ihre Kommilitonen oder Ihr verrückter Mitbewohner, der Ihnen übrigens da eine wirklich böse Prellung am Kinn verpasst hat. Ärgerlich. Ich wünschte, wir hätte eingreifen können, aber das war zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht möglich.«
    Er schüttelte bedauernd den Kopf und beugte sich dann so weit über den Tisch, dass ich seinen Atem spüren konnte, als er weitersprach.
    »Ist es nicht so, dass Sie hineinspüren in alles, was um Sie herum passiert, und dass es Sie manchmal eiskalt erwischt, wenn Sie nicht auf sich achtgeben? Sie kriegen alles ab. Einfach alles. Ob Sie wollen oder nicht.«
    »Was soll das? Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.«
    Ich erhob mich mit einem Ruck. Keine Sekunde länger hielt ich es auf diesem Stuhl aus. Nicht, während der Röntgenblick von Gunnar Thiel auf mir lag und meiner Seele alle noch so tiefen, wohlverborgenen Geheimnisse entlockte, als wäre es das reinste Kinderspiel.
    Thiel musterte mich mit unbewegter Miene. »Es gibt mehr Menschen wie Sie, Jakob. Alle hatten anfangs Angst. Das gibt sich, sobald Sie sich eingewöhnt haben.«
    Eingewöhnt? Ich schnappte nach Luft. Der verrückte Gedanke, dieses Gebäude hier wäre eine Irrenanstalt und ich selbst Opfer eines unglaublichen Fehlers, legte sich wie eine eisige Klaue um mein Herz.
    »Ich will mich aber nicht eingewöhnen!«
    Ich drehte mich um und eilte zur Tür.
    »Sie spinnen. Völlig. Auf Nimmerwiedersehen!«
    »Warten Sie!«
    Ich spürte ein Frösteln auf der Haut, als hätte sich die Raumtemperatur urplötzlich um einige Grad gesenkt. Widerwillig drehte ich mich um. Gunnar Thiel war aufgestanden und hatte die Hände auf den Schreibtisch gestützt. Sein Blick ruhte auf mir. Und plötzlich lag nicht mehr nur bloßes Taxieren darin. Ich glaubte einen Hauch von Wärme in dem hellen Blau tanzen zu sehen – und plötzlich flirrte der Raum um mich herum in sanft-goldenem Licht. Ich sah mich selbst, als würde ich neben mir stehen und mich beobachten. Sah einen Mann, der sich seiner Fähigkeiten weder schämte noch sie ständig zu verstecken versuchte, so wie ich es bisher mein Leben lang getan hatte. Und der Mann, den ich da sah – ich – , war auf eine sehr einfache Art glücklich …
    Fasziniert streckte ich die Hand aus und versuchte, dieses Abbild von mir zu berühren – doch dann war der Moment vorüber. Der Goldglanz legte sich und alles, was ich noch wahrnahm, war die Gänsehaut auf meinen Armen, bis sich die Temperatur langsam wieder regulierte.
    »Was war das?«, fragte ich und tastete mich mit weichen Knien vor zur Wand. Ich brauchte dringend etwas, woran ich mich abstützen konnte. Erst als ich das Mauerwerk in meinem Rücken fühlte, kühl und stabil, fühlte ich mich besser.
    Thiel lächelte sanft. »Es ist nicht einfach zu erklären und ich bedaure, wenn ich Sie erschreckt haben sollte. Wir können nie wissen, wie viel die Menschen, die wir beobachten, tatsächlich wahrnehmen. Bei Ihnen ist es mehr als bei anderen, soviel ist klar. Weitaus mehr. Und deshalb brauchen wir Sie.«
    Irgendetwas an seinem Tonfall hatte sich verändert und auch sein Lächeln war fast befremdlich offen. Plötzlich erschien die ganze Situation weitaus weniger beängstigend und allein der Gedanke, dass ich hier gegen meinen Willen festgehalten werden könnte, nahezu absurd. Was diese übermäßig schnelle Veränderung ausgelöst hatte, konnte ich mir allerdings nicht erklären. Ich wurde das leise Gefühl nicht los, unbemerkt beeinflusst worden zu sein. Es war, als würde dieser Mann, den ich überhaupt nicht kannte, über eine Möglichkeit verfügen, meine Gedanken zu steuern und meine Emotionen zu verändern. Das war unheimlich! Doch ich würde nicht zeigen, dass ich Angst hatte. Nicht hier, nicht jetzt!
    Ich stieß mich von der Wand ab, ging langsam zum Schreibtisch zurück und stützte meine Hände ebenfalls auf der

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