Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
Eidechsen.“ Ihr Blick war offen und entwaffnend.
Wir schwiegen eine Weile. Ich betrachtete sie genauer. Pettra war einfach wundervoll. Und sie hatte eine Fähigkeit, die ich schmerzlich vermisste.
„Oh Melissa, bitte“, sagte sie flehentlich. „Betrachte mich nicht mit so viel Neid in deinem Herzen. Auch wenn es dir vielleicht nicht so erscheinen mag, so sind meinesgleichen euch doch weit unterlegen.“
„Unterlegen?“, fragte ich und sah sie zweifelnd an. Die Sonne konnte sie nicht töten. Wie sollte sie mir da unterlegen sein?
„Ja, unterlegen. Wir mögen zwar gelegentlich auch bei Tag wandeln können. Doch darin liegt auch schon der einzige Vorzug, euch gegenüber. Wir sind bei weitem nicht so weit entwickelt wie ihr. Immerhin gibt es eure Art seit Jahrtausenden. Unsere erst seit wenigen Jahrhunderten. Unsere Fähigkeiten sind begrenzt. Wir können nicht über längere Entfernungen durch die Lüfte schweben, nicht in die Gedanken der Menschen eindringen, um sie zu manipulieren. Lesen können wir sie, das ist aber auch schon alles. Und wir können uns auch nicht vermehren.“
„Was soll das heißen, ihr könnt euch nicht vermehren?“
„Wir sind zu ewiger Einsamkeit verdammt. Wir können uns keinen Gefährten erschaffen durch die Weitergabe unseres Blutes. Und wir können auch auf anderem Wege keine Nachkommen zeugen. Von uns gibt es nur die, die bei der einen Verbindung entstanden sind. Ein Zufall, wie gesagt. Eine Laune der Natur, die nicht vorgesehen war. Wir sind eine Handvoll. Über die gesamte Erde verstreut. Unsere Eltern waren sozusagen auf und davon, als wir aus unseren Eiern schlüpften.“
Ich stieß einen Laut der Überraschung aus und wieder lachte sie.
„Oh ja, wir sind geschlüpft, als wir das reife Alter erreicht hatten. Unsere Mutter legte an die einhundert Eier in einer Höhle ab. Die meisten vertrockneten und starben. Aber einige wenige entwickelten sich und schlüpften eben. Nach dem Schlüpfen können wir nicht mehr altern. Und wir können im Grunde auch nicht sterben, außer man würde uns einfrieren. Kälte ist unser Tod. So wie bei euch die Sonne. Es wird wohl keine weiteren mehr von uns geben, da eine solche, unplanmäßige Paarung kaum noch einmal erfolgen wird.“
„Was weißt du über deine Eltern?“
„Ich weiß, dass unsere Mutter ein Vascazyr war.“
„Ein was?“
„Ein Vascazyr. Das ist eine Dämonenart. Nur diese Art legt solche Eier wie jene, aus denen wir geschlüpft sind. Vascazyre legen Eier, ähnlich wie Reptilien. Aus diesen Eiern schlüpfen dann voll ausgewachsene Nachkommen. Die Fähigkeiten der Vascazyre sind denen von Vampiren nicht ganz unähnlich. Aber sie trinken kein Blut, sondern Lebensjahre.“
„Dann bist du also ein Dämon, kein Vampir.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin ganz sicher kein reiner Vascazyr.“
„Und woher weißt du das?“
„Vascazyre sehen …“ Sie zögerte, überlegte wie sie es ausdrücken sollte. „… nicht menschlich aus.“
„Ich verstehe“, sagte ich nachdenklich. „Oder auch wieder nicht. Ich meine …“
Sie kam mir zuvor und so geriet ich nicht in die Verlegenheit, die tausend Fragen formulieren zu müssen, die in meinem Kopf schwirrten.
„Wir denken, unsere Mutter hat sich mit einem Menschen gepaart.“ Wieder ein Zögern. „Oder mit einem Vampir.“
Ich pfiff leise durch die Zähne. „Sehr interessante Theorie.“
„Es ist die einzige Erklärung, warum wir menschlich aussehen. Außerdem gibt es auch einige Legenden, die sich die Naturvölker in der Region rings um die Höhle erzählten. Die Eier waren diesen Stämmen heilig. Wir waren ihnen heilig. Heilige Dämonen. Aber mit der Zivilisation starb unsere Heiligkeit. Die Menschen dort brauchten unseren Schutz nicht mehr. Also gingen wir fort, zerstreuten uns in der Welt und passten uns an.“
„Womit verdienst du heute deinen Lebensunterhalt“, wollte ich wissen. „Bist du wirklich eine Kriminelle?“
Sie zuckte die Achseln. „Wenn du es so nennen willst. Ich versuche zu überleben. In der Tat gehören Diebstahl und Auftragsmord zu meinen Tätigkeiten. Oder was sonst so gefragt ist. Ich hinterlasse keine Spuren. Das wissen meine Klienten sehr zu schätzen. Und bei einem Spionageeinsatz erwischt mich niemand.“
Sie klang regelrecht arrogant und ich musste lächeln. Sie lächelte zurück, was ihren Ausführungen die Überheblichkeit nahm. Pettra hatte einen Weg gefunden, mit ihren Fähigkeiten ihr Auskommen zu sichern. Das
Weitere Kostenlose Bücher