Ruf des Blutes 3 - Dämonenring (German Edition)
Brust, seine Lippen öffneten sich leicht, kühler Atem folgte der Spur seiner Finger auf meinen Wangen. Ich schloss die Augen, für eine Sekunde nur, doch lang genug.
Das Appartement hatte einen herrlichen Blick auf die Tower Bridge. Eine ganz ähnliche Wohnung wie in New York, mit hoher Glasfront und schwarzen Jalousien, die vor dem Tageslicht schützten. Während ich den Ausblick bewunderte, kam er aus der Küche mit zwei Gläsern Whisky, von denen er mir eins reichte, ehe er einen großen Schluck aus seinem nahm.
„Cool, nicht? Eigentlich wäre hier das Wohnzimmer, aber ich finde es geil, vom Bett aus die erleuchtete Brücke zu sehen.“
Schweigend stimmte ich ihm zu, spürte, wie er mich aus den Augenwinkeln beobachtete.
„Oh, Melissa, meine wundervolle Melissa. Pest und Hölle. Du bist so schön. So verboten schön.“
Der Klang seiner Stimme war warm. Ich ließ mich davon einlullen. Zog sogar in Erwägung, ihm mein Vertrauen zu schenken. Er schien mir so ungefährlich. So ehrlich, so sanft. Ganz anders, als ich ihn in Erinnerung hatte. War das wirklich derselbe Mann, der mich vergewaltigt und fast zu Tode geprügelt, sein unsterbliches Blut nur dazu benutzt hatte, mich am Leben zu halten, um mich weiter quälen zu können? War es immer noch der listige Dieb, der Joker, der mit mir auf dem halben Globus um das Elixier des Lichts und die Tränen der Engel gespielt hatte? Ich fürchtete mich nicht mehr vor ihm, wie bei unserem ersten Aufeinandertreffen. Damals war ich noch ein Mensch gewesen, hilflos in seiner Gewalt. Und er ein Sadist. Heute kannte ich seine andere Seite, war ihm außerdem ebenbürtig. Und ich verstand ihn, wusste, dass er tief in seinem Inneren nicht nur Monster war, sondern auch eine Seele besaß.
Was er mir in dem billigen Motel in New Orleans angetan hatte, war längst vergeben. Mit meiner Wandlung war das Trauma dieser Erfahrung gänzlich verschwunden. Im letzten Jahr hatte er bewiesen, dass er mir kein Leid mehr zufügen wollte, seine Tat sogar bereute, soweit er zum Bereuen fähig war.
Sein Blick fing mich ein, für einen Moment fühlte ich dieselbe Nähe wie vor der Eishöhle am Pol, als sich alles entschieden und er den Wettstreit um die Ewige Nacht verloren hatte. Ich hielt den Atem an, als seine Lippen sich auf meine senkten und er mich leidenschaftlich, aber ohne Forderung küsste.
Meine Augen blickten in eisiges Grau, als ich aus dem Traum wieder in die Realität zurückkehrte. Für einen Moment begriff ich überhaupt nicht, wo ich war und wer mir da gegenüberlag. Dann wusste ich, dass ich neben Armand in unserer Gruft schlief. Geschlafen hatte …
Der Name lag noch auf meinen Lippen. Ich hörte seinen Klang und die Wärme, mit der ich ihn ausgesprochen hatte. Dracon.
Im nächsten Moment spürte ich den sengenden Schmerz einer Ohrfeige, gefolgt von einem Griff um meine Oberarme, der mir fast die Knochen brach.
„Ich will diesen Namen nie wieder hören. Du gehörst mir. Mir allein.“
Ich hielt seinem Blick stand, antwortete nicht, doch er konnte es auch so in meinen Augen lesen. Ich gehörte niemandem. Nur mir selbst.
„Ich habe dir einen Ring gegeben, du hast ihn angenommen. Und keine fünf Stunden später träumst du von ihm.
Pourquoi?
Warum tust du mir das an?“
„Ich weiß es nicht. Es war nur ein Traum.“
Das Amulett an meinem Hals pulsierte, eine eigenartige Wärme strömte davon aus. Ich hoffte nur, dass Armand es nicht bemerkte. Noch wusste er nichts von meiner Aufgabe, davon, dass ich an den Mann gebunden war, den er am meisten auf der Welt hasste. Ich fand einfach keine Worte, es ihm zu sagen. Hoffte im Stillen, es ihm nie sagen zu müssen, sondern allein damit klarzukommen.
„Lass mich bitte los“, bat ich leise.
Er stieß mich angewidert von sich, stand auf und verließ die Schlafkammer. Ich hörte, wie er an dem Tisch im Vorraum, direkt hinter der Sicherheitstür, Platz nahm.
Es schmerzte, dass er mich allein ließ, mich bestrafte für einen Verrat, obwohl dieser unbewusst und nur in meinen Träumen erfolgt war. Trotzdem konnte ich ihn verstehen. Auch an mir nagte es jedes Mal, wenn er auf die Jagd ging, mit einer oder einem Fremden schlief, um den Hunger seines Dämons nach Lust und Blut zu stillen.
War das überhaupt Verrat? Wenn wir unserer Natur, unseren angeborenen Trieben folgten? Nein, die Jagd war etwas anderes. Die meisten meiner Art lachten vermutlich über solche Gedanken. Da war sie dann doch wieder, meine Menschlichkeit.
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