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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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die wenigen hundert Meter zu meinem Haus zu gehen.
     
    ∗∗∗
     
    Ich war Gesellschaft nicht mehr gewohnt, aber Magnus riss mich an diesem Abend aus meiner Einsamkeit heraus. Ich erzählte plötzlich von Phoebe und Arthur, wie ich es seit Jahren nicht getan hatte, und von der großen Finsternis, die sich nach dem Tod der beiden auf mein Gemüt gelegt hatte. Ich erzählte auch, dass ich, nachdem ich das Bild «Wraxford Hall im Mondschein» gemalt hatte, mein Können irgendwie verloren hatte und wie ich mich bemühte, diese Hemmung zu überwinden – oder zu bannen, wie ich es manchmal nannte. Ich hatte erst die Öl-, dann die Aquarellfarben aufgegeben und beschränkte mich schließlich auf Stifte und Kohle, als könnte der Rückzug auf die Grundtechniken den Fluch aufheben.
    «Sie sind auf dem richtigen Weg, da bin ich mir sicher», sagte Magnus. «Ich hatte ähnliche Gedanken über meine berufliche Tätigkeit. Bei allem Reden von Fortschritt kann ich nicht sehen, dass die Medizin sonderlich weit gekommen wäre seit der Zeit Galens. Wir können gegen Pocken impfen oder brandige Gliedmaßen innerhalb von dreißig Sekunden entfernen; aber bei vielen Krankheiten sind wir nicht besser ausgestattet als eine alte Frau vom Dorf mit einem Regal voller Kräuter. Und wir – das heißt die Mehrzahl meiner Kollegen – verschmähen regelrecht jede Behandlung, wie effektiv sie auch sein mag, wenn wir nicht eine organische Erklärung geben können.
    Nehmen Sie etwa die Hypnose: der ganze Aufruhr vor zwanzig Jahren. Nun wird sie von vielen aus meiner Disziplin als ebenso unwissenschaftlich abgetan wie die Geisterbeschwörung.Und doch bietet sie unermessliche Vorzüge in der Schmerztherapie und wahrscheinlich bei der Heilung chronischer Krankheiten, darunter auch Herzkrankheiten. Ich habe bemerkenswerte Ergebnisse bei einigen meiner Patienten damit erzielt, aber ich zögere, einen Bericht davon zu veröffentlichen; ich werde ohnehin als ein Quacksalber angesehen.»
     
    Wir hatten unseren Kaffee und Brandy ins Arbeitszimmer mitgenommen – wir rauchten beide nicht – und machten es uns am Feuer bequem. Zwei Kerzen brannten auf dem Kaminsims; sonst war das Zimmer dunkel.
    Ich fragte ihn, wie Hypnose zur Heilung von Krankheiten beitragen konnte.
    «Bedenken Sie», sagte er, «dass Ihr Gehirn die Tätigkeit Ihres Herzens beeinflusst, gleich, ob Sie sich dessen bewusst sind oder nicht. Wenn Sie zum Beispiel angsteinflößenden Gedanken ausgesetzt sind, beschleunigt sich Ihr Puls, und Ihr Atem wird flacher und schneller. Gewöhnlich denken wir, dass diese Reaktionen unwillkürlich geschehen, aber Ursache und Wirkung sind hier austauschbar: Man kann sich eine angsteinflößende Szenerie vorstellen,
damit
sich der Puls beschleunigt. In Indien haben die Fakire diese Kontrolle des Körperlichen – wie man es nennen könnte – deutlich ausgedehnt: nicht nur auf die Tätigkeit von Herz und Lunge, sondern auch auf Verdauung, Wahrnehmung, Körpertemperatur und so weiter. So kann ein hinduistischer Mönch unbeschadet über glühende Kohlen gehen oder sich selbst in einen Zustand versetzen, der einem Winterschlaf gleicht, er kann über Stunden oder gar Tage begraben bleiben und unversehrt wieder aufstehen, wo Sie oder ich innerhalb weniger Minuten ersticken würden.
    Bedenken Sie außerdem, dass ein hypnotisiertes Subjekt in einen Zustand versetzt werden kann, in dem es keinen Schmerz mehr empfindet: Auf der Bühne wird das immer wieder getan; es lässt sich ebenso in der Chirurgie einsetzen. Und da scheintes nicht so abwegig, anzunehmen, dass wirklich eine Besserung eintreten wird, wenn ich eine Person davon überzeuge, dass ihr Blut
nach
dem Erwachen aus der Trance freier zirkulieren wird, oder? Ich sehe keinen Grund, warum nach demselben Prinzip ein bösartiger Tumor nicht zum Schrumpfen gebracht werden können sollte, etwas, das manchmal unvorhergesehen geschieht.»
    «Aber wenn das stimmt», sagte ich, «und Sie sagten ja, Sie hätten bemerkenswerte Ergebnisse bei Ihren Patienten erzielt, dann haben Sie eine großartige Entdeckung gemacht. Warum ist das nicht allgemein anerkannt?»
    «Zunächst einmal ist es nicht meine Entdeckung. Elliotson vertrat diese These vor dreißig Jahren, aber er machte einen riesigen Zirkus um seine Vorführungen, sodass er seine Stelle aufgeben musste. Außerdem wissen wir nicht,
wie
das Gehirn den Körper beeinflusst. Wir können von elektrobiologischen Einflüssen sprechen, oder von ideomotorischer

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