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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Entdeckungen mit jemandem
    zu reden, aber es fanden so viele Grabenkämpfe statt, daß niemand lange
    genug stehenbleiben wol te, um ihm zuzuhören. Dauernd nagelten Pries-
    ter ihre Versionen der Wahrheit von Om an die Tempeltüren und veran-
    stalteten damit einen schier ohrenbetäubenden Lärm. Für kurze Zeit
    hatte Himmelwärts sogar mit dem Gedanken gespielt, eine Rol e Papier
    sowie einen Hammer zu kaufen und seinen Namen der Warteliste für die
    Tempeltüren hinzuzufügen, doch schließlich entschied er sich dagegen.
    Der letztendliche Grund dafür hieß Unentschlossenheit, wußte er. In-
    nerlich war und blieb er ständig hin und her gerissen.
    Einmal hatte er sogar die Möglichkeit erwogen, darum zu bitten, exor-
    ziert zu werden. Doch diese Idee erschien ihm nicht besonders gut, denn
    die Kirche neigte traditionel dazu, recht fatale Methoden anzuwenden.
    Und ernste Männer, die nur selten lächelten, fanden es bestimmt nicht
    amüsant zu erfahren, daß der zu vertreibende Geist sein eigener war.
    Er bezeichnete die inneren Stimmen als den Guten Himmelwärts und
    den Bösen Himmelwärts. Das Problem war nur, daß beide die Termino-
    logie begrüßten, jedoch unterschiedlich gebrauchten.
    Selbst als er noch klein gewesen war, hatte ein Teil von ihm den Tem-
    pel für langweilig gehalten und versucht, ihn zum Lachen zu bringen,
    wenn er Predigten zuhören sol te. Jener Teil wuchs zusammen mit ihm
    auf. Er repräsentierte den Himmelwärts, der leidenschaftlich reagierte,
    sich immer an die Passagen erinnerte, die einen Schatten des Zweifels
    auf die unumstößliche Wahrheit des Buches Om warfen, ihn innerlich anstieß und sagte: Wenn dies nicht stimmt – was kannst du dann glauben?
    Und die andere Hälfte von ihm sagte: Es muß andere Arten von
    Wahrheit geben.
    Und dann erwiderte er: Meinst du andere Arten der Wahrheit, die wirk-
    lich wahr ist?
    Und er sagte: Definiere »wirklich wahr«.
    Und er rief: Vor nicht al zu langer Zeit hätten dich wirklich wahre Omnianer schon für solche Gedanken gefoltert. Erinnerst du dich daran? Erinnerst du dich daran, wie viele Menschen starben, weil sie ihr Gehirn be-
    nutzten, das Gott ihnen gab, wie du zu glauben scheinst? Welche Art
    von Wahrheit rechtfertigt al das Leid?
    Es war ihm nie ganz gelungen, die Antwort in Worte zu fassen. Und
    dann kamen die Kopfschmerzen und die schlaflosen Nächte. Seit einiger
    Zeit folgte eine Kirchenspaltung noch schnel er auf die andere, und
    selbst in seinem Kopf fand ein solcher Widerstreit statt.
    Wenn er jetzt daran dachte, daß er ausgerechnet seiner Gesundheit we-
    gen nach Lancre geschickt worden war… Pater Melchio hatte sich wegen
    seiner zitternden Hände und der Selbstgespräche Sorgen gemacht.
    Hilbert Himmelwärts gürtete nicht seine Lenden, denn er wußte nicht
    genau, worauf es dabei ankam, und außerdem wagte er es nicht, entspre-
    chende Fragen zu stellen. Aber er rückte seinen Hut zurecht und trat in
    die wilde Nacht unter die dichten, schweigenden Wolken.

    Das Schloßtor öffnete sich, und Graf Elstyr trat nach draußen, begleitet
    von seinen Soldaten.
    Er verhielt sich nicht so, wie es die narrative Tradition verlangte. Zwar
    erlebten die Bürger von Lancre so etwas jetzt zum erstenmal, aber auf
    einem tiefen, genetischen Niveau wußten sie: Wenn sich eine wütende
    Menge vor dem Schloß eingefunden hat, sol te derjenige, dem die Wut
    gilt, durch ein brennendes Laboratorium fliehen oder bei den Zinnen
    einen verzweifelten Cliffhanger-Kampf gegen den Helden führen.
    Der Graf hingegen zündete sich eine Zigarre an.
    Die wütende Menge vergaß ihre Wut und schwieg, Sensen und Heuga-
    beln noch immer hoch erhoben. Das einzige Geräusch war das Knistern
    der brennenden Fackeln.
    Der Graf blies einen Rauchring.
    »Guten Abend«, sagte er, als der Ring zerfaserte. »Ihr seid vermutlich
    die wütende Menge.«
    Jemand weiter hinten, der nicht ganz auf dem laufenden war, warf ei-
    nen Stein. Graf Elstyr fing ihn, ohne hinzusehen.
    »Die Heugabeln sind gut«, sagte er. »Ich mag Heugabeln, und eure
    Heugabeln werden zweifel os al en Anforderungen gerecht. An den Fa-
    ckeln gibt es ebenfal s nichts auszusetzen. Aber die Sensen… Nein, nein,
    tut mir leid. Die sind hier fehl am Platz, fürchte ich. Glaubt mir: Sensen
    eignen sich nicht dafür, einer wütenden Menge als Waffen zu dienen.
    Einfache Sicheln sind viel besser. Wenn ihr Sensen schwingt, verliert
    früher oder später jemand ein Ohr. Mindestens. Versucht doch zu

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