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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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schnippte mit den Fingern.
    Ein Bild erschien auf dem Sand vor ihr. Sie sah sich selbst, wie sie vor
    dem Amboß kniete. Die Szene beeindruckte durch einen bewunderns-
    werten dramatischen Effekt. Eine gewisse Theatralik hatte sie immer zu
    schätzen gewußt – obwohl sie nie bereit gewesen war, es zuzugeben –,
    und auf eine körperlose Weise wußte sie die Kraft zu schätzen, mit der
    sie den Schmerz ins Eisen projizierte. Viel eicht wäre al es noch ein-
    drucksvol er gewesen, wenn nicht jemand einen Kessel aufs eine Ende
    des Ambosses gestellt hätte.
    Tod bückte sich und nahm eine Handvol Sand. Er hob ihn hoch, ließ
    ihn langsam zwischen den Fingern dahinrinnen.
    WÄHLE, sagte er. ICH GLAUBE, DU BIST GUT DARIN, EINE
    WAHL ZU TREFFEN.
    »Könntest du mir irgendeinen Rat geben?« fragte Oma.
    WÄHLE RICHTIG.
    Oma Wetterwachs wandte sich dem blendend hel en Schimmern zu
    und schloß die Augen.
    Dann trat sie zurück.
    Das Licht schrumpfte zu einem winzigen Fleck in der Ferne und ver-
    schwand.
    Plötzlich war die Dunkelheit überal und schloß sich wie Treibsand um
    sie. Es schien keinen Weg zu geben, keine Richtung. Als sie sich beweg-
    te, fühlte sie überhaupt nichts.
    Es gab kein Geräusch, abgesehen von dem leisen Knistern des Sands,
    der hinter ihrer Stirn rieselte.
    Und dann sprach ihr Schatten mit vielen Stimmen.
    »Du bist dafür verantwortlich, daß einige Personen gestorben sind, obwohl sie hätten leben können…«
    Die Worten trafen wie Peitschenhiebe und hinterließen blutige Strie-
    men in Omas Selbst.
    »Andere lebten, obwohl sie dem Tod geweiht waren«, erwiderte sie.
    Die Finsternis zupfte an ihren Ärmeln.
    »Du hast getötet…«
    »Nein, ich habe den Weg gezeigt.«
    »Ha! Das sind nur Wörter…«
    »Worte sind wichtig«, flüsterte Oma in die Nacht.
    »Du hast dir das Recht genommen, über andere zu urteilen… «
    »Ich habe mich der Pflicht gestel t. Und ich bin bereit, Rechenschaft
    abzulegen.«
    »Ich kenne jeden bösen Gedanken, der dir jemals durch den Kopf gegangen ist…«
    »Ich weiß.«
    »… Gedanken, die du vor allen verborgen hast…«
    »Ich weiß.«
    »… al die kleinen Geheimnisse, die du nie jemandem anvertraut hast …«
    »Ich weiß.«
    »Wie oft hast du dich danach gesehnt, die Dunkelheit zu umarmen…«
    »Ja.«
    »… du hättest so stark sein können…«
    »Ja.«
    »Gib dich der Dunkelheit hin…«
    »Nein.«
    »Gib mir nach…«
    »Nein.«
    »Lilith Wetterwachs hat nachgegeben, genauso wie Alison Wetterwachs…«
    »Dafür gibt es keinen Beweis!«
    »Gib mir nach…«
    »Nein. Ich kenne dich. Ich habe dich immer gekannt. Der Graf hat
    dich nur freigesetzt, damit du mich quälen kannst, aber ich habe immer
    von deiner Existenz gewußt. An jedem Tag meines Lebens habe ich ge-
    gen dich gekämpft, und ich werde jetzt nicht das Feld räumen.«
    Sie öffnete die Augen und starrte in die Dunkelheit.
    »Ich weiß, wer du jetzt bist, Esmeralda Wetterwachs«, sagte sie. »Du
    erschreckst mich nicht mehr.«
    Der Rest des Lichts verflüchtigte sich. Oma Wetterwachs hing für un-
    bestimmte Zeit in der Finsternis. Absolute Leere schien sowohl Zeit als
    auch Richtungen aufgesaugt zu haben. Es gab keinen Ort, den Oma auf-
    suchen konnte, denn es existierten überhaupt keine Orte mehr.
    Nach einer Zeitspanne, die sich nicht messen ließ, hörte Oma ein an-
    deres Geräusch, ein ganz leises Flüstern am Rand der Hörweite. Sie be-
    wegte sich darauf zu.
    Worte stiegen zappelnden Goldfischen gleich in der Dunkelheit auf.
    Oma strebte ihnen entgegen; immerhin wiesen sie eine Richtung.
    Lichtfragmente verwandelten sich in Geräusche.
    »… und frage ich dich in deiner unendlichen Güte, ob du viel eicht die Zeit finden könntest, hier einzugreifen…«
    Normalerweise brachte sie derartige Worte nicht mit Licht in Verbin-
    dung. Vielleicht lag es an ihrer Formulierung. Oder daran, wie sie ausge-
    sprochen wurden. Ein seltsames Echo haftete ihnen an, wie von einer
    zweiten Stimme, die mit der ersten verbunden war und an jeder Silbe klebte…
    »… welche Güte? Wie viele Menschen haben auf dem Scheiterhaufen gebetet? Wie dumm ich aussehe, hier so zu knien…«
    Ah, ein geteiltes Bewußtsein. Es gab mehr Agnesse in der Welt, als
    Agnes ahnte, dachte Oma. Das Mädchen hatte einem Ding nur einen
    Namen gegeben, und wenn man etwas einen Namen gab, verlieh man
    ihm Leben…
    Es war noch etwas anderes in der Nähe, ein Glanz, der nur mehrere
    Photonen durchmaß und verblaßte, als sie

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