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Ruht das Licht

Ruht das Licht

Titel: Ruht das Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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während sich die andere Hälfte fragte: Was passiert mit mir? Meine Wangenknochen brannten, wurden immer heißer. Endlich fand ich meine Stimme wieder. »Das kannst du nicht. Du kannst mich nicht davon abhalten, ihn zu sehen.«
    »Oh, und ob ich das kann«, sagte Dad. »Du bist siebzehn und lebst unter meinem Dach, und solange diese beiden Dinge auf dich zutreffen, kann ich das sehr gut, glaub mir. Wenn du achtzehn bist und mit der Highschool fertig, dann kann ich dir nicht mehr vorschreiben, was du zu tun hast, aber im Moment hab ich den ganzen Staat Minnesota auf meiner Seite.«
    In meinem Magen fühlte ich irgendetwas Seltsames, ein kleines Zucken, wie vor Nervosität, und zur gleichen Zeit fing meine Stirn an zu prickeln. Ich hob einen Finger an die Nase und sah eine Spur von Rot daran. Das durften sie nicht merken, es würde mich nur noch mehr in Schwierigkeiten bringen. Schnell nahm ich mir ein Taschentuch vom Tisch und drückte es mir unter die Nase. Dann sagte ich: »Er ist nicht nur irgendein Junge.«
    Mom drehte sich weg und machte eine Handbewegung, als hätte sie jetzt wirklich genug. »Ja, klar.«
    In diesem Moment hasste ich sie.
    »Tja, für die nächsten Monate wird er das aber sein«, entgegnete Dad. »Solange ich irgendwas dazu zu sagen habe, wirst du ihn nicht wiedersehen. So was wie heute passiert nicht noch einmal. Und damit ist dieses Gespräch beendet.«
    Ich ertrug es nicht, noch länger mit ihnen im selben Raum zu sein. Ich ertrug es nicht, wie Mom mir einen Blick über die Schulter zuwarf, die Augenbraue gehoben, als wartete sie auf meinen nächsten Zug. Und ich ertrug die Schmerzen nicht mehr.
    Ich rannte in mein Zimmer und knallte die Tür so heftig hinter mir zu, dass in meinem Inneren alles erbebte.

KAPITEL 40
GRACE
    »Sterben ist Sturmnacht und unbefahrene Straße. « Diese Worte gingen mir nicht aus dem Kopf, wie ein Song. Ich wusste nicht mehr, von wem sie stammten, nur dass Sam sie einmal laut vorgelesen hatte. Er hatte von seinem Buch aufgesehen und sie vor sich hin gemurmelt, wie um ihren Klang zu testen. Ich erinnerte mich genau an den Augenblick: Wir saßen hier zu Hause in Dads altem Arbeitszimmer; ich blätterte durch meine Aufzeichnungen für ein Referat und Sam las. In all der Gemütlichkeit, während draußen der Eisregen an den Fenstern hinunterglitt, und mit Sams sanfter Stimme vorgelesen, hatte das Zitat unschuldig geklungen. Geistreich.
    Jetzt, in der dunklen, leeren Stille meines Zimmers, als die Worte mir wieder und wieder fieberhaft durch den Kopf rasten, machten sie mir Angst.
    Die Krankheit in mir ließ sich nicht mehr ignorieren. Ich wartete lange darauf, dass meine Nase aufhörte zu bluten; als mir die Taschentücher ausgingen, nahm ich Toilettenpapier. Es schien, als wollte es niemals aufhören. Meine Eingeweide fühlten sich an wie verknotet, meine Haut kochte.
    Ich wollte doch nur wissen, was mit mir nicht stimmte. Wie lange es dauern würde. Was am Ende mit mir passieren würde. Wenn ich das alles wüsste, wenn ich nur etwas Konkreteres als den Schmerz hätte, um mich daran festzuhalten, dann könnte ich mich damit abfinden. Aber ich kannte keine der Antworten.
    Und darum konnte ich nicht schlafen. Ich konnte mich nicht bewegen.
    Ich hielt die Augen geschlossen. Der Platz neben mir, wo eigentlich Sam liegen sollte, kam mir unendlich vor. Bevor all das passiert war, als er noch bei mir gewesen war, hatte ich mich einfach rübergerollt und mein Gesicht an seinen Rücken geschmiegt, wenn ich nachts aufwachte. Hatte mich von seinem Atem wieder in den Schlaf wiegen lassen. Aber Sam war nicht da und der Schlaf schien weit weg und, solange diese Hitze durch meinen Körper kroch, ohnehin unwichtig.
    Im Geiste hörte ich wieder meinen Dad, wie er mir verbot, Sam wiederzusehen. Bei dem Gedanken daran stockte mir fast der Atem. Er würde es sich noch mal überlegen. Das konnte er nicht ernst meinen. Ich zwang mich, an etwas anderes zu denken. An meine rote Kaffeemaschine. Ich wusste zwar nicht, ob es so was überhaupt gab, aber wenn ja, würde ich mir eine kaufen. Sofort. Plötzlich schien mir das unheimlich wichtig. Ein bisschen Geld verdienen, rote Kaffeemaschine kaufen, ausziehen. Und eine neue Wohnung finden, um sie dort einzustöpseln.
    Ich drehte mich auf den Rücken und legte mir die Hand auf den Bauch, um festzustellen, ob ich das Rumoren meines Magens auch von außen ertasten konnte. Mir war wieder so heiß und mein Kopf fühlte sich komisch an, als schwebte

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