Runenschwert
al-Dawla nicht zum Besten bestellt ist. Das ist der Anführer der Hamdaniden, der die Römer in der Großen Stadt hier zwanzig Jahre lang in Schach gehalten hat, seine Mutter möge verrecken.«
Für mich waren das interessante Neuigkeiten, doch ich hörte nur mit halbem Ohr zu, während Bruder Johannes es für Finn übersetzte. Wegen der Seidenraupeneier wurde der Boden hier für uns mit jedem Tag heißer, und ich wollte mich aus dem Staub machen, sobald der Hirtenjunge wieder einigermaßen hergestellt war – oder noch vorher, falls ich herausfand, was ich wissen wollte. Natürlich würde ich genug Silber für seine weitere Pflege dalassen.
Wenn ich diese Seidenraupeneier nutzen und uns alle retten wollte, müsste ich entweder mit Starkad tauschen oder ihn töten und den Behälter dem Basileus in der Großen Stadt bringen, er war der Einzige, bei dem ich sicher sein konnte, dass er nicht in irgendein Komplott verwickelt war. Doch beide Möglichkeiten erschienen mir so wahrscheinlich, wie die Möglichkeit, mit einem Hornlöffel einen Berg abzutragen.
Wir saßen und tranken Nabidh, ein Getränk aus Datteln und Rosinen, die in Wasser eingeweicht werden; und Zifus erzählte und erzählte und beendete jeden zweiten Satz mit einem » Möge seine Mutter verrecken«. Er berichtete unter anderem, dass die Stadt die Verteidigung aufgegeben hatte, als die Armee von Serkland geflohen war. Die Brandspuren, die wir an den Mauern gesehen hatten, waren von griechischem Feuer verursacht worden, das von den großen Katapulten geschleudert wurde, die die Zimmerleute Onager nannten, was » wilder Esel« bedeutet. In Sarkel hatte ich diese Maschinen gesehen, die bei jedem Schuss hochgehoben wurden und unkontrolliert ausschlugen, sodass alle, die sie bedienten, sich in Sicherheit bringen mussten. Der Name war also ganz passend.
» Wir kümmern uns um den Jungen, Freunde«, sagte Zifus, als es Zeit war zu gehen. » Er ist ein bedauernswerter kleiner Kerl, aber er ist sehr tapfer. Verflucht sei der, der auf ihn geschossen hat, und seine Mutter möge verrecken.«
Schweigend verließen wir das Haus. Draußen schlug Finn klatschend seine rechte Faust in die linke Hand.
» Eines Tages werde ich diesem Starkad gegenüberstehen«, gelobte er. » Und dann zahle ich ihm alles heim.«
» Und seine Mutter möge verrecken«, beendeten wir lachend den Satz, dann schlenderten wir gut gelaunt in Richtung Stadt.
Zu fünft wanderten wir durch die breiten, gepflasterten Straßen. Zu beiden Seiten standen hohe Säulen, an denen Weinlaub hochrankte und über uns ein schattiges Sonnendach bildete. Es war bewölkt, aber heiß und schwül. Wir schlenderten die Straße entlang, vorbei an der Basilika und einem Gebäude aus gelbem und rosa Marmor, von dem Svala sagte, es sei ein Palast gewesen. Wir sahen noch weitere Männer von Skarpheddins Truppen in der Stadt, hauptsächlich jüngere Männer seiner Leibgarde, die mit der Hand am Schwertgriff herumstolzierten.
Sie beeindruckten uns nicht sonderlich. Finn hatte bereits vor Skarpheddins Hov zwei von ihnen beobachtet, die aneinandergeraten waren und die Schwerter gezogen hatten. Wie wahre Kindsköpfe hatten sie hüpfend und tänzelnd immer wieder Klinge gegen Klinge klirren lassen, sodass man es kaum ertragen konnte. Finn hatte seinen Schild dazwischengeworfen, der auf dem Boden weitergeschlittert war und sie leicht an den Beinen hätte treffen können. Wütend waren sie herumgefahren, dann hatten sie ihn entdeckt. Er sagte kein Wort, aber sie wussten auch so, was er gemeint hatte. Kein Soldat lässt Klinge auf Klinge schlagen, denn ein Schwert ist zu wertvoll, als dass man seine Schneide auf diese Weise ruiniert. Schwert gegen Schild ist die richtige Art zu kämpfen, und nur im äußersten Notfall wehrt man einen Schwerthieb mit der scharfen Klinge ab. Ein richtiger Krieger weiß das.
» Das sind Bauern, deren Hände vom Pflügen und nicht vom Schwertkampf schwielig geworden sind«, brummte Finn missmutig. » Sie denken immer noch, sie sitzen zu Hause auf ihren Feldern, und das hier träumen sie nur. Sie heben die Trinkhörner und rufen: ›Til ars ok fridar!‹ Bei Odins Eiern, was nützt das denen da draußen auf dem Meer?«
Til ars ok fridar. Auf die Ernte und den Frieden. Im Geiste sah ich Gudleif, meinen Pflegevater, lachend und so rotgesichtig, dass er in dem dunklen Hov von Björnshafen fast leuchtete, wie er triumphierend das Trinkhorn hochhielt, stolz auf das, was er erreicht hatte: eine gute
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