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Runlandsaga - Feuer im Norden

Runlandsaga - Feuer im Norden

Titel: Runlandsaga - Feuer im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Gates
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in den Mondwäldern, sondern südlich davon im Fünfseenland. Es war ein weiter Weg dorthin, und nicht alle entschlossen sich, mit den Endarin zu ziehen.
    Einige hatten das raue Land in der kurzen Zeit so lieb gewonnen, dass sie es trotz der Entbehrungen nicht für ein unbekanntes Ziel verlassen wollten. Sie blieben im Regenbogental.
    Ihre Nachfahren überquerten auf der Suche nach neuen Jagdgründen das Meldaangebirge und kamen schließlich in den Roten Wald, der damals im Westen noch bis an die Küste reichte, an der später Menelon gegründet wurde. In dieser Gegend ließen sie sich nieder und gründeten Siedlungen. Das Cairan an den Riesenfelsen gehörte zu einem dieser Dörfer.«
    »Was ist aus ihnen geworden?«
    Sie hörte Sarn im Dunkeln seufzen. Für einen Moment glaubte sie, dass die Hexe ihres Nachfragens überdrüssig geworden sei und nun doch lieber schlafen wolle. Aber dem war nicht so. Als die Stimme der alten Frau wieder erklang, schwang etwas von verhaltener Trauer mit. »Sie waren von einem anderen Schlag als deine Vorfahren, derer sich später Talháras annahm, ein kriegerischer Stamm, stolz und leicht aufbrausend. Die Entbehrungen, unter denen sie gelitten hatten, bis sie in den Roten Wald gekommen waren, hatten ihre Herzen verhärtet. Alles Leben um sie herum betrachteten sie als einen möglichen Gegner. Der Wächter des Waldes zeigte sich ihnen nicht. Sie bekriegten sich untereinander, bis ihre Siedlungen vernichtet waren. Es heißt, dass nur sehr wenige von ihnen die Kämpfe überlebten. Manche Geschichten sprechen von sieben, manche von zehn. Sie gingen wieder über das Gebirge zurück nach Süden und verschwanden aus allen Erinnerungen. Von den Freuden und Leiden dieses Stammes, von allem, was sie schufen, sind nur die Gräber in von Dickicht überwucherten Hügeln übrig, auf denen uralte Bäume stehen – Bäume, die noch nicht einmal Samen waren, als die Eingänge zu diesen Cairani verschlossen wurden. Für lange Zeit sahen die Geschöpfe dieser Wälder keine Menschen mehr, bis deine Vorfahren hierher kamen.«
    Sarn schwieg. Neria lag im Dunkeln und fragte sich zum wiederholten Male, wer diese eigenartige Frau war, warum sie völlig alleine mitten in der Wildnis lebte und woher sie mehr über die Alten Tage wusste als Ukannit in ihrem Dorf.
    »So hat der Wald schließlich alles wieder zurückerobert, was ihm genommen wurde«, sagte sie langsam.
    »Es gibt ein Lied über diese Gegend, das früher hier im Norden bekannt war«, murmelte Sarn und begann, leise zu singen. Eine wehmütige Melodie erfüllte die Dunkelheit.
    »Über die Berge gingen sie,
    Jene, mit Unrast im Herzen,
    In Nebel hinein und in Felsengrau,
    Verließen Bruder, Kind und Frau
    Für die weiten Wälder des Nordens,
    Für die weiten Wälder des Nordens.
    Über die Berge gingen sie,
    Jene, die fort es drängte
    Sie warfen nicht einen Blick mehr zurück
    Auf der Suche nach Land, auf der Suche nach Glück,
    Zu den weiten Wäldern des Nordens,
    Zu den weiten Wäldern des Nordens.
    Über die Berge gingen sie,
    Jene, deren Blut in der Erde verrann,
    Ihre Toten ruhen in Hügeln aus Stein,
    Zurück kehrten Sieben von ihnen allein,
    Aus den weiten Wäldern des Nordens,
    Aus den weiten Wäldern des Nordens.«
    Neria konnte später nicht mehr sagen, ob Sarns Lied noch weitere Strophen besaß, denn schon nach kurzer Zeit waren ihr die Augen zugefallen. In ihren Träumen gehörte sie zu dem namenlosen Volk aus der Erzählung der alten Frau. Wie aus großer Höhe erblickte sie das Meldaangebirge, das sie nie zuvor Leben gesehen hatte, eine langgezogene Felsenkette wie der muskulöse Rücken eines schlummernden Bären, schwach blaugrau in der Ferne eines bewölkten Tages schimmernd. Als sie sich ihr näherte, rasch wie ein Vogel im Flug, türmten sich die Berge zu einer gewaltigen Höhe auf, steil, schneebedeckt und abweisend. Jenseits dieser Mauern aus Felsgestein sollte ein wildes, unbekanntes Land voll reicher Jagdgründe liegen, dessen Wälder sich bis zum nördlichen Meeresufer erstreckten. Noch gehörte es niemandem, denn bisher hatte noch kein Mensch seinen Fuß in diese Gegend gesetzt.
    Ein drängendes Verlangen hatte die junge Frau ergriffen, die dunklen Wälder des Nordens mit eigenen Augen zu sehen und zu ihrer Heimat zu machen. Wenn das bedeutete, dem Regenbogental, in dem sie ihr bisheriges Leben verbracht hatte, den Rücken zu kehren, dann musste sie es tun, auch wenn sie ihre Familie, die ihr nicht auf diesem Weg folgen

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