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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Lutz
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wandten sich dann wieder ihrer Arbeit am Computer zu.
    Ich stand vor den Schaltern im Raum, der bis auf einen Schirmständer nicht möbliert war. Schliesslich entdeckte ich einen abgenutzten Metallsessel, links neben einer Tür. Vermutlich wurde der Stuhl vom Wachpersonal benutzt, ich setzte mich. Während fünf Minuten passierte gar nichts, nur ab und zu wurde ich von den beiden Männern taxiert, mit, wie mir schien, misstrauischen Blicken. Ich bemühte mich, gelangweilt und abwesend zu wirken, und sah mich derweilen um. Ich war mir immer noch nicht sicher, ob ich wirklich bei AdFin war, auch wenn die beiden das nicht verneint hatten. Auf der rückwärtigen Wand, hinter den mit einer Glaswand abgetrennten Schaltern, befanden sich weisse Büroschränke und ein Kopiergerät, aber keine weiteren Räume. Vermutlich führte die Tür neben mir zu den restlichen Büros von AdFin. Falls es eine Kamera gab, von der aus der Raum überwacht wurde, konnte ich sie nicht sehen. Aber ich hatte ja auch nicht wirklich die Absicht, hier einzusteigen.
    Ich versuchte mir die Gesichter der beiden einzuprägen. Schliesslich war ich hier, um meine Gegner kennenzulernen. Schwer zu sagen, ob es sich um Schweizer oder um Ausländer handelte. Obschon beide sassen, wirkten sie sehr kompakt in ihren Körpern, was Schweizer in der Weise nur selten tun. Der ältere neigte zu Rundlichkeit und Glatze. Ich nahm mein Handy heraus und tippte ein bisschen darauf herum, um den Anschein zu erwecken, dass ich meine Tochter zu erreichen versuchte.
    Ich wollte gerade aufstehen, als sich die Eingangstür öffnete und ein DHL -Kurier erschien. Mitten im Raum blieb er stehen, er streckte den beiden Männern ein Päckchen entgegen. Der ältere Angestellte kam hinter dem Schalter hervor. Er wirkte bullig und durchtrainiert. Der DHL -Kurier erhielt seine Unterschrift, mit dem beigen Paket in der Hand kam der Angestellte in meine Richtung und verschwand in der Tür neben mir. Ich sah einen Gang, der zu weiteren Räumen führte. Was immer hier an Wichtigem zu finden war, es würde sich dort hinten befinden. Ich ergriff die Gelegenheit und ging auf den jüngeren Schalterangestellten zu. Es ist einfacher zu lügen, wenn nur einer zuhört.
    «Es scheint nicht so, als ob das noch klappen würde mit meiner Tochter. Wir müssen wohl ein anderes Mal vorbeikommen.»
    «Um was wäre es denn gegangen? Vielleicht kann ich ja trotzdem helfen?», erkundigte er sich höflich, aber auch neugierig.
    «Meine Tochter wird in Moskau studieren, und wir möchten ein Konto einrichten, für Überweisungen an sie. Ich dachte, es ist einfacher, wenn sie dabei ist, dann weiss sie auch gerade, an wen sie sich in Moskau wenden muss.»
    Der Mann sah mich immer noch genau an: «Ich frage mich, ob Sie sich nicht besser an eine der Grossbanken wenden. Alle grösseren Banken haben inzwischen Filialen in Moskau oder können Ihnen eine Bank nennen, mit der sie zusammenarbeiten. Vermutlich haben sie bei einer Grossbank den besseren Service.»
    «Ich dachte, AdFin ist auf so etwas spezialisiert, auf Transactions und Financial Services mit Russland, aber da bin ich vielleicht falsch informiert.»
    «Sie sind hier nicht bei AdFin. Aber wir arbeiten mit Money Transmittern zusammen, wenn Sie das möchten. Dürfte ich Ihren Ausweis sehen, wenn Sie Geld überweisen wollen, sind wir von Gesetzes wegen dazu verpflichtet.»
    «Ich bin gar nicht bei AdFin? Aber ich habe die Adresse aus dem Branchenverzeichnis!»
    «Die Adresse stimmt schon. AdFin ist tätig in der Anlageverwaltung und Investitionsberatung. Ich denke, das ist nicht, was Sie suchen.»
    «Und das hier gehört gar nicht zu AdFin?», eine ungeschickte, viel zu direkte Frage.
    «Ich kann Sie gerne weitervermitteln. Was kann ich denn nun für Sie tun?»
    Es war Zeit, den Rückzug anzutreten. Ich sagte, dass ich zuerst einmal bei meiner Hausbank nachfragen wollte, wenn das so einfach war mit Geldüberweisungen nach Russland.
    Wozu diente denn der Schalterraum mit den beiden Angestellten, wo es doch so offensichtlich war, dass sich kaum Kunden hierher verirrten? Das Namensschild auf dem Schaltertisch verriet mir, dass der jüngere Mann Dragic hiess. Beim Hinausgehen las ich den Namen seines Kollegen, Zivkovic. Ob die beiden überhaupt über die Geschäfte von AdFin informiert waren? Nicht unbedingt. Vielleicht setzte AdFin seine Bodyguards an die Schalter, wenn es sonst nichts zu tun gab?
    Ich drehte mich beim Hinausgehen noch einmal um:

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