Ryan Hunter - This Girl Is Mine
meinem Wagen. Kaum noch fähig vor Müdigkeit die Straße zu erkennen, fuhr ich nach Hause.
Bevor ich ausstieg, wischte ich mir noch mit einem Taschentuch und etwas Spucke das Blut aus dem Gesicht. Ich wollte niemanden erschrecken. Doch ich konnte nichts gegen die aufgeplatzte Lippe und die geschwollene Nase tun.
Als ich mich leise ins Haus schlich, schlug die alte Standuhr im Wohnzimmer gerade neun Uhr. Ich schloss die Tür ganz vorsichtig hinter mir und hoffte, ich würde es unbemerkt nach oben schaffen, doch meine Mutter kam bereits aus der Küche gestürmt. Sie hatte wohl meinen Wagen gehört und schon auf mich gewartet. Es gab kein Entrinnen.
Sie stoppte so abrupt, dass ihre Hausschuhe sie noch ein wenig weiterrutschen ließen. „Ryan, Liebling, wo bist du nur gewesen?“
Ich wusste, es war schlimm, wenn sie mich Liebling nannte. Sie war vermutlich ganz krank vor Sorge gewesen.
Meine Mutter legte ihre Hände auf meine Wangen und neigte meinen Kopf, sodass ich in ihr Gesicht hinunterblickte. „Ach du Heiliger! Was ist passiert? Hattest du einen Unfall?“ Dann saugte sie kurz Luft zwischen ihren Zähnen ein. „Oder hast du dich etwa geprügelt?“
Ich nahm ihre Hände in meine und zog sie von meinem Gesicht. „Nichts ist passiert, Mom. Es geht mir gut.“ So gut es einem halt gehen konnte, wenn jemand sein Herz aus der Brust gerissen hatte und darauf herum getrampelt war. „Kein Unfall. Keine Prügelei.“ Zumindest keine richtige. „Ich bin nicht verletzt. Nur müde.“
„Aber etwas muss doch passiert …“
„Bitte, Mom. Ich möchte jetzt einfach nicht reden, okay?“ Ich musste furchtbar geklungen haben. Weinerlich und armselig.
Für einen tiefgründigen Mutter-Sohn-Moment sah sie in meine flehenden Augen. Und sie schien zu verstehen. „Na schön, Liebling. Geh nach oben und ruh dich aus. Ich komme in ein paar Minuten rauf und bringe dir eine Tasse heiße Schokolade.“
Ich trank morgens immer Kaffee und das wusste sie auch. Aber heute würde es mich nicht überraschen, wenn in der heißen Schokolade sogar ein Marshmallow schwimmen würde. Meinen völlig entkräfteten Köper die Treppen rauf zu schaffen, war sogar noch anstrengender als die ganzen achtzig Meilen nach Hause mit nur einem offenen Auge zu fahren.
Ich kickte meine Schuhe in die Ecke und entkleidete mich auf dem Weg ins Bad bis auf die Boxershorts. Die ließ ich fallen, als ich vor der Dusche stand und das Wasser aufdrehte. Ich stemmte mich mit den Händen gegen die Fliesenwand und ließ den Kopf hängen, während ein heißer Schwall auf mich herab regnete. Wassertropfen spritzen von meinem Gesicht als ich schwer ein- und ausatmete. Tränen, die mir die ganze Nacht den Hals zugeschnürt hatten, rollten nun unkontrolliert über meine Wangen. Dies war der einzige Moment, in dem ich sie zulassen würde, denn der Wasserstrahl aus der Dusche verwischte ihre Spuren, noch bevor sie zu Boden fallen konnten.
Eine halbe Stunde verging, doch der Regen über mir stoppte nicht. Ich wollte nicht aus der Dusche steigen. Ich wollte so lange hier drinnen bleiben, bis der Schmerz endlich aufhörte und mein Herz sich nicht mehr anfühlte, als wäre es in einer Bärenfalle gefangen. Ich ballte die Hände zu Fäusten an der Wand und lehnte meine Stirn dagegen. Wie sollte mein Leben jemals wieder normal werden?
Zu dem Zeitpunkt, als ich endlich aus der Dusche stieg, fürchtete ich, ich würde im Stehen einschlafen. Ich rieb mich nur oberflächlich trocken und wand das Handtuch anschließend um meine Hüften. So schlurfte ich zurück in mein Zimmer, wo ich mir Boxershorts und ein T-Shirt anzog. Auf meinem Nachttisch stand auch die versprochene heiße Schokolade, die allerdings bereits kalt geworden war. Es war mir egal. Ich hatte so und so nicht vor, sie zu trinken.
Heißer Kakao und Marshmallows halfen vielleicht, wenn man krank oder traurig war, weil der Hamster gestorben war. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie ein gebrochenes Herz reparieren sollten. Ich ließ den Rest der Welt hinter mir, als ich aufs Bett fiel und ins Kissen sank. Ich wollte nur noch einschlafen und an nichts mehr denken müssen.
Für eine Weile funktionierte es auch. Doch nicht einmal lange genug, dass mein Haar in der Zwischenzeit getrocknet wäre. Ich rollte mich auf den Rücken und begann an die Decke zu starren. So lange, bis zwei Stunden später jemand leise an meine Tür klopfte.
Meine Mutter streckte ihren Kopf vorsichtig herein. Sie wollte mich wohl nicht
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