Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden
und in den Oslofjord schütten könnte!“ seufzte Senta. Und was es alles zu sehen gab! Die schwarzen Kindermädchen mit ihren kleinen weißen Schützlingen, die sie nach afrikanischer Art auf der Hüfte rumtrugen. Die vielen europäischen Badegäste, die manchmal erheiternde Anblicke boten -Frau Tiger war immer unser Spannungsmoment: Was würde sie heut tragen?
Jeden Tag kam ein Araber mit zwei Dromedaren. Senta und ich spendierten je zwei Shilling und machten einen Dromedarritt am Strand entlang. Er dauerte zehn Minuten, und hätte er noch zehn gedauert, wäre mir schlecht geworden. Diese Paßgänger wiegen und schaukeln wie ein Schiff, und ich bin durchaus nicht seefest! Aber das Gefühl, auf einem wirklichen, lebendigen Wüstenschiff zu rei-ten, war doch ein Erlebnis. Als wir abgestiegen waren, reichte Frau Dieters uns schmunzelnd ein Bild: Die Schwestern Rywig auf Dromedarrücken. Ich machte bestimmt ein sehr dummes Gesicht. Hatte Frau Dieters ein ganzes Fotolabor in der Badetasche, oder...?
„Deine Unwissenheit ist bodenlos“, lachte Heiko. „Hast du nie etwas von Polaroidkameras gehört?“
Nun war ich im Bilde, buchstäblich. Natürlich, es gab ja Kameras, die das ganze Labor in sich verbargen, so daß man nach einer Minute das fertige Bild rausziehen konnte!
Nachmittags war der Strand überfüllt. Nach Arbeitsschluß kamen sehr viele Schwarze, und ich konnte mich nicht satt sehen an ihren hübschen, muskulösen, schlanken Gestalten. Herr Dieters zeichnete, daß der Bleistift glühte!
Unsere kleine Gruppe blieb zusammen: Herr und Frau Dieters, Heiko, Senta und ich, und dann der stille, freundliche Herr Klinger.
Er sah uns lächelnd an, als wir eines Tages aus den Wellen kamen, fröhlich und ausgelassen. Heiko hatte grade irgendeinen Unsinn verzapft, und wir lachten aus vollem Halse. Herr Klinger hütete immer unsere Siebensachen, während wir im Wasser waren. Denn kein Mensch konnte garantieren, daß alle Strandbesucher ehrlich waren!
Er lächelte sein gütiges Lächeln, als er uns drei „Vertreter der Jugend“ sah.
„Es ist so schön, Jugend um sich zu haben und glückliche junge Menschen zu sehen“, sagte er. „Denn ihr seid doch glücklich, Kinder, nicht wahr?“
„Und ob!“ riefen wir gleichzeitig.
„Dann sollt ihr es auch genießen! Dankbar genießen. Wie wunderbar, dies hier zu erleben, wenn man zwanzig ist. Ich habe warten müssen, bis ich fünfundsechzig war. Nein, nein, ich bin deshalb nicht verbittert, im Gegenteil, ich bin froh und dankbar, daß es mir doch vergönnt wurde. Aber ihr drei Glückspilze - dankt dem lieben Gott, daß ihr es so früh im Leben bekommen habt - dieses Glück. So, Kinder, und nun paßt auf meine Sachen auf, der alte Opa möchte auch mal ins Wasser!“
In seiner dezenten schwarzen Badehose wirkte Herr Klinger gar nicht wie ein Fünfundsechzigjähriger. Er war schlank und gut gebaut und konnte glänzend schwimmen.
„Er ist ein Goldstück“, sagte Heiko. „Schade, daß er nicht mit auf die Safari kommt. Ich muß sagen, ich bin gespannt auf die beiden letzten im Wagen, wir werden ja sieben Personen sein. Herr Klinger wäre grade der Richtige gewesen, und dann noch einer von derselben Sorte!“
Ja, es war spannend. Wenn man eine Woche lang den ganzen Tag mit fremden Menschen verbringen sollte, hing furchtbar viel davon ab, ob man zusammenpaßte.
Aber wir konnten ja nichts unternehmen, Gruppenreise war Gruppenreise! Sie war phantastisch gut organisiert und sehr preiswert - aber einmal... einmal in der Zukunft möchte ich nach meinem eigenen Programm fahren und nicht nach dem eines Reiseunternehmens.
Dann wollte ich meine Reisegesellschaft selber wählen. Eine ganz kleine Gesellschaft. Nur wenige Personen.
Oder - eigentlich nur eine einzige!
In sengender Hitze fuhren wir nach Mombasa. Natürlich war es interessant - diese merkwürdige, zusammengewürfelte Bevölkerung. Bald ganz schwarze Afrikaner, bald braune Araber in ihrer weißen Kleidung, bald schwarzverhüllte Frauen - und dann die Inder in ihren Turbanen und die Inderinnen in herrlichen, anmutigen Saris.
Wir gingen unter den Elefantenzähnen durch - das waren zwei Paar überdimensionale Stoßzähne, die zwei riesige Bogen über die Hauptstraße, die „Kilindini Road“ bildeten. Wir sahen eine arabische Schule, einen Haufen bildschöne braune Kinder in einem stickigen Kellerraum - wir sahen den bunten Markt, wurden von unzähligen Straßenhändlern angesprochen und umringt - es war ein sehr
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