Sabihas Lied
Olivenbäumen. Nachdem er ihr davon erzählt hatte, dankte er Sabiha für ihre Lieder und dafür, dass sie sich seine Träume angehört hatte. Wenn keine Frau da ist, der wir unsere Träume anvertrauen können, hören wir Männer mit dem Träumen auf und werden verbittert. An dieser Stelle hatte Nejib seinem schweigsamen Gefährten einen Blick zugeworfen. Ich weiÃ, wovon ich spreche. Ich habe es schon erlebt. Ich habe es bei meinem Vater erlebt, nachdem meine Mutter uns verlassen hatte. Mein Vater alterte lange vor der Zeit, nicht körperlich, aber im Geiste. Ich war noch ein Junge, als ich die Flamme in den Augen meines Vaters verlöschen sah, die Flamme, die seine Träume nährte.
Sabiha wusste, was für eine Art Mann Nejibs Gefährte war, und sie konnte nicht verstehen, warum Nejib ihn überhaupt in seiner Nähe duldete. In ihrer Heimat hätte dieser Mann im Dienst der Regierung gestanden und eine Uniform getragen. Ihrem Vater hätte er aber keine Angst gemacht. Auch sie hatte vor ihm keine Angst. Als sie ihn nun ansah, senkte er den Blick und fuhr mit dem Finger am Rand seines Teeglases entlang, unter dem prächtigen Schnurrbart zeichnete sich auf seinen Lippen ein geringschätziges Lächeln ab. Offenbar hatte er erkannt, dass ihr seine Verdorbenheit und Heimtücke nicht entgangen war. Es behagte ihm ganz und gar nicht, ihrem klaren Blick ausgesetzt zu sein, und er konnte ihr nicht in die Augen sehen. Das sagte alles über ihn. Er streckte die Beine unter dem Tisch aus und führte trotzig das Glas an die Lippen. Sie machte ihm Angst. Sie erfüllte ihn mit Abscheu. Sabiha wusste das. Solche Männer konnten auch grundlos hassen. Hass lag in ihrer Natur, wie Liebe und GroÃherzigkeit in der Natur anderer Männer lag.
Beim Singen bedachte Sabiha die Männer reihum mit Blicken, sie sang die Lieder ihrer GroÃmutter für jeden einzelnen von ihnen, und sie sang für sich selbst. Als John aus der Küche kam und es sich mit einer Zigarette und einem Glas Rotwein am Tresen bequem machte, lächelte sie ihm zu. Sie sang auch für ihn. Und als sich im Lauf des Abends dank der Lieder ihre Ãngste lösten, wurde Sabiha klar, dass sie Bruno ein weiteres Mal aufsuchen musste. Sie würde nachts die Wüste durcheilen, wie eine Falkenmutter im Sternenlicht über den kalten weiÃen Sand hinwegjagen, eine beherzte Mutter, und sie würde alle Hindernisse überwinden, die zwischen ihr und ihrem Kind standen. Sie durfte nicht aufgeben. Der neu erwachte Kampfgeist verlieh auch ihrer Stimme Kraft, und die Männer waren fasziniert von ihrer Schönheit und Ausstrahlung und von der Macht ihrer Lieder.
Jetzt war Sabiha voller Zuversicht, dass sie es schaffen würde. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, würde sie Bruno ein zweites Mal aufsuchen und verführen. Dieses Mal würde sie sich der Lust uneingeschränkt hingeben und sein Samen würde sie befruchten und sie würde ihr Kind bekommen. Sie lachte vor Freude und sang, und die Männer waren entzückt und zugleich tief bewegt.
Fünf
E s ist so weit. Clare hat einen Mann kennengelernt. Er ist nicht gerade das, was ich mir für sie erträumt hatte. Als ich Samstag vom Schwimmen nach Hause kam, saà er in der Küche auf meinem Stuhl, hatte die Arme über den Tisch gebreitet und den Kopf daraufgelegt und hörte sich die FuÃballübertragung an, eine offene Dose Carlton-Bier aus meinem Vorrat neben sich. Von Clare oder Stubby war weit und breit nichts zu sehen. Er hob nicht einmal den Kopf vom Tisch, als ich die Küche betrat, sondern wandte nur den Blick in meine Richtung, sein rechtes Auge lugte unter dem Schirm einer Baseballkappe hervor.
»Ich bin Clares Vater«, sagte ich etwas argwöhnisch.
»Hi«, sagte er.
»Wer gewinnt?«
» Wir . Psst!«
Später erklärte mir Clare: »Er ist ein glühender Fan der Hawthorn Hawks, Dad. Sei ihm nicht böse. Er wollte nicht unhöflich sein.«
Ich war noch nie bei einem FuÃballspiel. In meinen Büchern spielt FuÃball nicht die geringste Rolle. In Melbourne erzählt mir jeder, den ich kenne, dass mir auf diese Weise eine der emotional intensivsten Erfahrungen des Lebens entgeht. Aber ich gehe trotzdem nicht hin.
»Und was macht Robin beruflich?«, fragte ich.
»Stand-up-Comedy. Er tritt als Komiker in Clubs auf.«
Ich war zutiefst schockiert.
»Lass
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