Sacramentum
vereint werden müssen. Ich frage mich, wie Oscar wohl da drangekommen ist.«
Sie blätterte zur nächsten Seite und fand die Antwort. Gabriel las sie auch, und wieder kochte die Wut in ihm hoch, als er die Worte sah:
Das ist, was wir gefunden haben. Dafür sind wir getötet worden.
Als sie schließlich das Ende des Textes erreichten, war ihnen klar, dass es noch mehr geben musste. Gabriel griff nach einer Kerze und hielt die leere Seite über die Flamme, bis nach und nach eine Zeichnung zum Vorschein kam, die ein verwirrendes Netz von Tunneln zeigte.
»Sie wollten doch wissen, wie es in der Zitadelle ist«, sagte Gabriel. »Nun, da haben Sie Ihre Antwort.«
Selbst auf dieser schlichten Zeichnung war die Größe und Komplexität der Zitadelle ehrfurchtgebietend. Die Karte zeigte mehrere Ebenen im Berg, die immer kleiner wurden, je höher man kam. Neben dem Bild der kleinsten sah Gabriel die Worte: vrbtn Treppe zur Kapelle des Skrmnts . Er war durch genau diese Tür gegangen und genau diese Treppe hinaufgestiegen. Das nahm er nun als Referenzpunkt, um von dort aus den Weg durch die Tunnel zurückzuverfolgen, den er genommen hatte, vorbei an der Tür zu dem geheimen Garten. Dann ging es eine unbekannte Treppe hinab und durch weitere Gänge bis in den tiefsten Teil, der auf der Karte verzeichnet war, und ganz unten, in einer abgelegenen Höhle war ein Kreuz mit einem Schädel markiert. Es sah aus, als hätte ein Kind eine Schatzkarte gezeichnet.
»Da«, sagte Gabriel. »Da ist die Sternenkarte versteckt.«
»Aber was hat das zu bedeuten?« Dr. Anata deutete auf das Symbol daneben – XIV –, das römische Zeichen für die Zahl 14.
Gabriel starrte das Kreuz und die römische Ziffer an, und resignierend erkannte er, was er tun musste. Weniger als zwei Wochen nachdem er auf wundersame Weise von dem Ort entkommen war, den sonst keiner außer seinem Großvater je verlassen und es überlebt hatte, würde er erneut in die Zitadelle einbrechen und das holen müssen, was Oscar dort versteckt hatte.
46
In der Tributhöhle hatte sich bereits eine große Gruppe von Mönchen versammelt, als Athanasius und Bruder Axel dort ankamen. Nervös standen die Mönche beieinander oder räumten Säcke und Kisten beiseite, die das Beben aus den Regalen geworfen hatte, um den großen Drehkranz wieder freizuräumen, mit dem der Aufzug bedient wurde.
»Holt ihn sofort wieder hoch!«, befahl Axel und drängte sich zwischen den anderen Mönchen hindurch bis hin zu den Aufzugführern in ihren braunen Kutten. »Was habt ihr euch nur dabei gedacht, einfach den Aufzug runterzuschicken? Ist jetzt etwa die Zeit für den Tribut?« Er drehte sich zu Athanasius um. »Siehst du jetzt, was passiert, wenn man die Tradition ignoriert? Alles fällt auseinander!«
Einer der Braunkutten trat auf die Bremse und drehte sich zu Axel um. »Wir dachten, nach dem Erdbeben wolle uns jemand Nachrichten oder Hilfe schicken.«
»Und woher willst du wissen, dass das wirklich ein Beben war? Hat das jemand bestätigt? Was, wenn es wieder eine Bombe war, die uns raustreiben soll?« Axel stapfte zur Wand und deutete auf den kleinen Bildschirm, der dort hing und auf dem normalerweise zu sehen war, was unten vor sich ging. Aufgrund des teilweisen Stromausfalls war er noch immer dunkel. »Ihr könnt nicht sehen, wer die Glocke geläutet hat, und doch schickt ihr den Aufzug runter. Ihr könntet da Gott weiß was raufholen.«
Athanasius trat vor. »Ich glaube, wir können durchaus davon ausgehen, dass es ein Erdbeben war.« Er deutete zu den Schlitzen, die in die Außenwand des Berges gehauen worden waren. »Schau doch selbst. Die Stadt ist größtenteils dunkel. Sie müssen auch einen Stromausfall gehabt haben. Eine weitere Bombe gegen uns hätte wohl kaum auf die ganze Stadt Auswirkungen gehabt. Und das Beben, das wir gespürt haben, war lang, nicht hart und kurz wie eine Explosion. Und wir wissen ja wohl alle, wie eine Explosion sich anfühlt.«
Axel starrte in die dunkle Nacht hinaus, wo normalerweise die hellen Lichter der Stadt zu sehen waren. Nun verrieten nur ein paar helle Flecken, dass dort draußen überhaupt etwas war. Axel drehte sich wieder zu seinen Mitbrüdern um, und sein Blick wanderte von einem Gesicht zum anderen. »Also schön«, sagte er. »Schickt den Aufzug runter, aber ich will, dass nur noch die hier sind, die wirklich hier sein müssen, wenn er wieder raufkommt. Und fangt erst an, ihn wieder hochzuholen, wenn meine Wachen in Position sind.
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