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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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er immer wieder dem Beginn dieser Arbeit ausweicht und andere Pläne sich dazwischenschieben läßt.
    Für alle diese Arbeiten, in die er gewissermaßen vor dem »Titan« hineinflüchtet, sei vorweg bemerkt, daß sie, wie alles, was er seit der »Unsichtbaren Loge« schrieb, reich an überwältigenden Schönheiten sind. Er hat eine Beherrschung der Sprache erlangt, die für seine Zeit einzigartig ist, und in alle Partien bis in die kleinsten Metaphern hinein entlud er die Glut und große Liebe seines Herzens. Wie ein gewaltiger Strom rauscht auch diese Nebenproduktion dahin, und doch fehlt allen diesen Arbeiten etwas, das erst seine großen Werke geben: die einmalige große Konzeption, das Gerinnen eines Lebensabschnitts zum abgeschlossenen, gerundeten Werk. Das zu betonen, ist gerade heute wichtig, da man auf das Stilgeschichtliche und Typische einen durchaus gerechtfertigten, aber vielleicht doch allzu ausschließlichen Wert legt. Es sind die großen Werke, die das Profil eines Künstlers umreißen und die die Stufen seines Erlebens sichtbar machen. So bedeutet es für den Lebensabschnitt des Dichters keinen Fortschritt, daß seine Produktion nach allen Richtungen hin ausgreift und die Sammlung zum geschlossenen Werk vermissen läßt. Ebensowenig als es einen Gewinn bedeutet, wenn von jetzt ab jeder persönliche Einfluß, der ihm kommt, durch eine ganze Reihe von Personen ausgeübt wird. Die eine Charlotte von Kalb hätte ihm sicherlich mehr gegeben als die lange Reihe seiner adligen Anbeterinnen, die sich fortgesetzt verlängern sollte.
    Das erste der kleineren Werke, wie sie jetzt in bunter Fülle entstehen, ist der »Jubelsenior«, den er im Herbst 1796 ausarbeitete. Wiederum sucht er hier die Idylle des deutschen Pfarrhauses darzustellen, nicht ganz unbeeinflußt von Vossens »Luise«, die er kurz vorher gelesen hatte. Wenn er in den letzten Werken die gerade Linie einzuhalten versucht hatte, so überschlug er sich jetzt förmlich in Einschiebseln und Unterbrechungen, von denen jede bedeutend ist und die man doch im Ganzen lieber missen würde. Bei dem Helden der Idylle, dem Senior von Neulandpreis, hat Jean Paul vielleicht ein wenig an Herder gedacht. Fünfzigjähriges Amtsjubiläum und zugleich das Fest der fünfzigjährigen Ehe (hier entgegen unserm Sprachgebrauch als »Silberhochzeit« bezeichnet) stehen bevor. Das Zusammentreffen der beiden Jubiläen umreißt mit einem Schlage das rührende Leben des Seniors. Sein Lieblingswunsch, seinen Sohn Ingenuin als seinen Nachfolger zu begrüßen, scheint ebenfalls in Erfüllung zu gehen, denn nur wenige Wochen vor der Jubelfeier bringt der Konsistorialbote die lange erhoffte Vokation. Aber noch mehr häufen sich die Freudenfeste. Alithea, die Pflegetochter des Hauses, verrät, daß sie an Ingenuin ein mehr als geschwisterliches Interesse nimmt. In herrlicher, überquellender Hesperusstimmung offenbaren die beiden Liebenden unter den Birken des nahen Hügels einander ihr Herz. Zum Unglück stellt es sich jetzt heraus, daß der Konsistorialbote ein Betrüger war. In der Not wendet man sich an das ältliche Fräulein von Sackenbach, die einst Hofdame am Flachsenfingenschen Hofe war, sich dort in den Maître de plaisirs , einen Herrn von Esenbeck, verliebt hatte, von ihm aber im Stich gelassen war. Dieses ältliche Mädchen auf dem nahen Schlosse geht man um Hilfe an. Das Fräulein ist von der Not des liebenden Paares erschüttert und bittet ihren ungetreuen Liebhaber, sich beim Fürsten für Ingenuin zu verwenden. Jetzt tritt wie im »Quintus Fixlein« Jean Paul selbst auf den Plan. In langen Szenen, denen man eine verstaubte Rokoko-Sentimentalität nicht absprechen kann, bewegen sich das ältliche Fräulein und der Hofmann umeinander. Der Schluß steht wieder auf der Höhe Jean Paulscher Darstellung. Vor uns entrollen sich die Bilder des glücklichen Familienlebens. In prachtvoller Steigerung ersteht vor uns der Kirchgang des jungen Paares. Ergreifende Töne über das unglückliche Schicksal des armen verlassenen und unvermählt gebliebenen Fräuleins werden angeschlagen. Dieses vom Leben übergangene Dasein steht als traurige Folie hinter dem Festjubel im Pfarrhaus. Den Höhepunkt bildet das Festmahl. Die Hochzeiten des Schulmeisterleins Maria Wuz und Fixleins stehen vor uns auf mit ihren so belanglosen und doch so köstlichen Entzückungen.
    Ein »Appendix des Appendix«, »meine Christnacht«, schlägt die uns bereits bekannten Töne über das Elend der

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