Saemtliche Werke von Jean Paul
vergangenen Jahres nicht wieder einstellen will. Schon in seinem ersten Briefe an seine Frau klagt er, daß er nicht halb so froh sei als früher, und bald heißt es: »Die poetische Blumenliebe des vorigen Jahrs ist leider ganz und gar verflogen, eben, weil sie ihrer Natur nach keine Dauer und Wiederholung kennt.« Das Entscheidende aber ist sein Verhältnis zu Sophie. Schon damals muß sich die Katastrophe dieses jungen Mädchens angesponnen haben, und es ist kaum anders zu denken, als daß sie den verhängnisvollen Schritt, der ihr Leben zerstören sollte, unternahm, nachdem sie die Hoffnungslosigkeit ihrer Liebe zu Jean Paul eingesehen hatte. Hals über Kopf verlobte sie sich mit August Wilhelm Schlegel. Zwei Monate nach Jean Pauls Abreise sind die beiden bereits vermählt. Unmittelbar nach der Hochzeit reiste der ältliche Ehemann Hals über Kopf ohne seine Frau von dannen. »Heidelberg hört so erbärmlich für mich auf wie ein Feuerwerk: mit Gestank«, schreibt Jean Paul in sein Tagebuch. Als er die plötzliche Abreise Schlegels erfahren, schreibt er: »Schlegel hat seiner Eitelkeit die diesmal nur sophistische Sophie aufgeopfert, die nun weder Jungfrau, noch Ehefrau, noch Witwe, noch Liebende, nicht einmal Geliebte ist, und die nichts Neues in ihrer Ehe erlebt hat als – Masern, das Sinnbild des Mannes selber.«
Im nächsten Jahre trifft Jean Paul Frau Paulus und ihre unglückliche Tochter in Stuttgart. »Unser Wiederumarmen war das warme, alte«, schreibt er an Voß. Aber er lehnt es ab, Sophie zu besuchen, denn diese habe das Recht verloren, die alte wieder zu sein. Später stellte sich eine laue und nichtssagende Verbindung wieder her. »Der Mörder Ihres Frühlings werde nie unter uns genannt«, schreibt er ihr einmal. »Im Unglücklichmachen war er zum erstenmal ein kühner Dichter. Immer, meine liebe Sophie, werd’ ich mich erinnern, wie vertrauend und liebend Sie gegen mich gewesen.« Das war das Ende. Sophies Leben blieb durch diese Katastrophe zerbrochen. Sie starb etwa dreißig Jahre später, drei Jahre hinter ihrer Mutter. Ihr vereinsamter, fast neunzigjähriger Vater leitete sie zu Grabe.
Die einzelnen Mitspieler bei dieser Tragödie zu beurteilen, ist schwierig. Schon in den ersten Tagen des Wiedersehens hatte Sophie Jean Paul mißfallen. Er fand »gar zu wenig Liebe und Nachsicht für andre Menschen bei ihr«. Offenbar hat er also das ihn liebende Mädchen infolge einer Meinungsverschiedenheit und wahrscheinlich mit Rücksicht auf seine eifersüchtige Frau von sich gewiesen. Sophie hat die Weltberühmtheit des älteren Schlegel offenbar bei ihrem übereilten Entschluß in Rechnung gestellt. Es schmeichelte gewiß ihrer Eitelkeit, daß sich ein Mann wie August Wilhelm Schlegel um sie bewarb. Wenn aber auch eine gewisse Eitelkeit mitsprechen sollte, so hat sie doch allzu hart dafür gebüßt. Der wahrhaft Schuldige bei dieser Angelegenheit scheint Jean Paul zu sein, der das schwärmende Mädchen mit Leidenschaft an sich heranzog, um sie plötzlich fallen zu lassen. Aber auch ihn wird man nicht hart beurteilen dürfen. Sophie war das Opfer, das er seiner Frau brachte, die ein Jahr hindurch bei dem bloßen Gedanken an die Nebenbuhlerin Qualen ausgestanden hatte. Mit Sophies Untergang wurde der Frieden dieser Ehe für die letzten Jahre erkauft.
Wie stark Jean Paul trotz seiner Versicherungen an Sophie immer noch hing, zeigt Karolines Angst, als er ein Jahr nach der Katastrophe nach Stuttgart fuhr, wo sich gerade Sophie mit ihrer Mutter aufhielt. Auch wenn der Dichter keine nähere Verbindung mit seiner Altersliebe mehr aufnehmen wollte, so hatte er doch offenbar stark den Wunsch, sie wiederzusehen. Im übrigen brachte ihm Stuttgart keine Überraschungen, als er den Juni 1819 dort verlebte. Mit Cotta, dem Verleger der »Flegeljahre«, mit Haug, dem Herausgeber von Cottas »Morgenblatt«, verbrachte er angenehme Tage und Stunden. Er traf dort mit dem Bildhauer Dannecker zusammen, begegnete in Gesellschaft auch Uhland und Schelling, auch der Gattin Wilhelm v. Humboldts und Henriette Herz, die gerade aus Italien kamen. In nähere Beziehungen trat er zu der Herzogin Wilhelm, mit der er in Briefwechsel blieb. Alles in allem war aber Stuttgart für ihn »kein halbes erstes Heidelberg«, wie er an Voß schrieb. Den Gedanken einer Weiterreise in die Schweiz, die erst beabsichtigt war, gab er bald auf. Am 12. Juli war er wieder in Baireuth.
Mit einem wichtigeren Kreise traf er bei der Herzogin von
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