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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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Sarto mit einer Handbewegung den Vortritt und steuerte auf den Wirrwarr aus Strebepfeilern und Dächern des Großen Marktes zu.
    Garth folgte ihr, doch als der Nebel aus Erschöpfung und Schmerz sich langsam weiter lichtete, erwog er ihre Chancen. Es wäre Wahnsinn, wenn Venera sich an diesem Krieg beteiligte. Als bloße Zuschauerin wäre sie vielleicht in Sicherheit.
    Sacrus hatte gewusst, welches Geheimnis es verraten müsste, um ihr die Zähne zu ziehen, aber es hatte sich entschlossen zu schweigen. Auf ihrer Seite war Garth der Einzige, der über sie Bescheid wusste. Wenn etwas durchsickerte, würde Venera natürlich annehmen, dass Sacrus dahintersteckte. Es wäre so einfach …
    Ein beunruhigender Gedanke, aber Garth war entschlossen, ihn zu Ende zu denken. Energisch verlängerte
er seine Schritte und folgte Venera zum Großen Markt.
     
    Liris lag dicht am Rand des Abgrunds. Bei der Abschaltung der Sonne war das Dach des Gebäudes von Licht überflutet und leuchtete golden, rosa und violett. Hinter den Mauern war der Himmel nach allen Seiten grenzenlos. Venera konnte sich fast vorstellen, wieder in den Provinzen von Meridian zu sein, wo die Habitaträder klein und überschaubar waren und man frei durch die Luft fliegen konnte, wann immer man wollte. Sie beugte sich hinaus, um sich besser in dem Schein verlieren zu können.
    Hinter ihr auf dem Dach hatte man Zelte aufgeschlagen, und Moss hielt vor einer bunten Mischung von Spyre-Würdenträgern Hof. Alle Größen und Erscheinungsformen waren vertreten, maskiert und unmaskiert, Lords und Ladies, Diplomaten und Generäle jeder Couleur. Geeint durch ihre Angst vor Sacrus und seinen Verbündeten, schmiedeten sie hastig einen Schlachtplan, während ihre winzigen Armeen bereits von Groß-Spyre hierher unterwegs waren. Venera hatte zuvor nach diesen Armeen gesucht - aber wie sollte man Trupps von einem Dutzend Männern finden, die sich irgendwo zwischen den labyrinthähnlichen Mauern der verschiedenen Anwesen bewegten?
    Es musste eine gespenstische Reise sein. Garth hatte ihr überwucherte Tore zu Besitzungen gezeigt, deren Fenster mit schwarzer Farbe übermalt waren und deren Bewohner seit Generationen niemand mehr zu Gesicht bekommen hatte. Aus den Schornsteinen stieg Rauch; also war jemand zu Hause. Vielleicht würden die Soldaten
an dem einen oder anderen solchen Tor stehen bleiben, rufen und an den Eisenstäben rütteln, in der Hoffnung, weitere Verbündete zu finden. Aber sie würden keine Antwort bekommen oder nur einen Schuss von jenseits der Mauer.
    Venera hatte zum ersten Mal seit Tagen nichts zu tun. Sie war zu müde, um sich eine Beschäftigung zu suchen, und als sie in den endlosen Himmel hinausschaute, beschlich sie die vertraute tiefe Melancholie. Diesmal wehrte sie sich nicht.
    Sie wünschte sich Chaison zurück. Es war Zeit, es sich einzugestehen. Tag für Tag gab es Augenblicke, da wollte sie sich ihm zuwenden, ihn anlächeln und sagen: »Sieh nur, was ich gemacht habe!« oder »Hast du so etwas schon mal gesehen?« Erst vor einer Stunde war es ihr wieder so ergangen, als die ersten Dali-Pferde auf ihre neue Koppel in der hintersten Ecke von Liris’ Grundstück geführt wurden. Die hochbeinigen Tiere waren zum Reiten ausgebildet, und sie war selbst aufgestiegen und einmal im Kreis herumgetrabt. Wie gerne hätte sie in diesem Moment einen Zuschauer gehabt! Aber sie war jetzt Amandera Thrace-Guiles. Es gab niemanden, den sie beeindrucken konnte, nicht einmal Garth, der sich rar machte, seit sie hierhergekommen waren.
    Sie hörte Schritte hinter sich. Bryce lehnte sich gegen die Mauer und griff ganz selbstverständlich nach ihrer Hand. Sie hätte sie beinahe weggezogen, aber seine Berührung weckte Gefühle. Er war nicht der Mann, nach dem sie sich sehnte; aber er wollte sie, und auch das hatte einen gewissen Reiz. Sie lächelte ihn an.
    »Alle Bauern und Springer sind im Spiel«, sagte er. Sein Daumen strich über ihren Handrücken. »Jetzt ist
dein Gegner am Zug. Was möchtest du tun, solange wir warten müssen?«
    Veneras Herz schlug schneller. Nun knetete er mit kräftigen Fingern ihre Hand, dass es fast schmerzte.
    »Hm …«, sagte sie und fuhr fort, bevor ihr eine Ausrede einfiel, »diesmal hat man mir ein richtiges Zimmer gegeben.«
    Er lächelte ironisch. »Welche Ehre. Komm, lass es uns ausprobieren.«
    Er ging auf die Treppe zu. Venera zögerte, drehte sich um und betrachtete den Abendhimmel. Nein: die Trauer war noch da, und sie würde nicht

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