Säule Der Welten: Roman
manchmal geträumt hatte. Alle hatten Schwerter gezogen und stürzten sich nun ohne ein Wort auf ihre beiden Opfer.
Der Mann namens Chaison schwenkte zwischen sich und dem Angreifer seinen Mantel durch die Luft und zog ebenfalls sein Schwert, während sein Begleiter einen Hieb ihres angeblichen Führers parierte. Nach der Warnung durch Chaisons Freund wurde nicht mehr gesprochen.
Bei einem Schwertkampf im freien Fall war die Klinge Antrieb und Waffe zugleich. Jeder der Männer war bestrebt, mit Hand, Fuß, Schulter oder Klinge Kontakt zu einer Wand, einem Tau oder einem Gegner zu bekommen. Bei jedem Anprall änderten sie die Richtung, und wenn sie aufeinander einschlugen, machten sie Überschläge und drehten sich um die eigene Achse. Venera hatte schon beim Schwertkampftraining und sogar bei Duellen zugesehen, doch dies war etwas ganz anderes. Hier gab es keine Spur von Ritterlichkeit; der Kampf war schnell und brutal. Die Bewegungen der Männer waren von einer Eleganz, die sie zutiefst erregte, und die Hiebe kamen so rasch aufeinander, dass sie ihnen kaum zu folgen vermochte.
Einer der Angreifer blieb immer etwas zurück. Als ein Sonnenstrahl auf ihn fiel, erkannte sie den Jungen, der sie gewarnt hatte. Er hielt sich das Schwert mit zitternden Händen vor das Gesicht und vermied es, den älteren Kämpfern zu nahe zu kommen.
Venera erkannte erst nach einigen Sekunden, dass zwei der Männer, die wie Gummibälle von einer Wand zur anderen hüpften, bereits tot waren. In der Luft schwebten schwarze Perlen - Blut -, und die Körper, die, wenn auch langsamer geworden, immer noch von ihrem eigenen Schwung getragen wurden, zogen lange Schweife hinter sich her. Einer war der Führer, der die beiden Adeligen hierhergebracht hatte; der zweite war einer der Angreifer.
»Aufhören!« Das war Chaisons Stimme. Venera erschrak so sehr, dass sie fast die Wand losgelassen hätte. Die drei Angreifer, die noch übrig waren, hielten sich an Tauen und verbogenen Schindeln fest und starrten auf ihre toten Genossen. Der Junge sah aus, als wollte er sich übergeben. In diesem Augenblick packte ihn einer seiner Gefährten am Arm, stieß einen Wutschrei aus und sprang.
Chaisons Begleiter verpasste ihm einen Hieb ins Gesicht, und er trudelte davon. Dem zweiten hatte Chaison das Schwert aus der Hand geschlagen und gab ihm mit einem Aufwärtshaken gegen die Kinnspitze den Rest.
Der Junge schwebte im Nichts und streckte das Schwert vor sich aus. Chaison sah ihn aus dem Augenwinkel, drehte sich - und hielt inne.
Seine Klinge zitterte zwei Zentimeter vor der Nase des Burschen. Der war weiß wie ein Laken.
»Ich will dir nicht wehtun«, sagte Chaison. Er sprach leise, begütigend - ein krasser Gegensatz zu dem Befehlston zuvor. »Wer hat dich geschickt?«
Der Junge schluckte, sah, dass er sein Schwert immer noch in Händen hielt und ließ es hastig los. Als es davonschwebte, sagte er: »Ein g-großer Mann aus dem Palast. Rote Feder am Hut. Hat keinen Namen genannt.«
Chaison machte ein verdrossenes Gesicht. »Na schön. Und jetzt verschwinde. Such dir eine ehrliche Arbeit und - bessere Freunde.« Er griff nach dem Handgelenk seines Begleiters, und sie fassten sich unter, um ihre Bewegungen zu koordinieren. Gemeinsam wandten sie sich zum Gehen.
Auf einmal riss der Mann, der den Kinnhaken bekommen hatte, den Kopf hoch und hob den Arm. In seiner schmutzigen Hand blitzte eine kurzläufige Pistole, die er nun aus nächster Nähe auf Chaisons Hinterkopf richtete. Dem Jungen stockte der Atem.
Ein Schuss krachte. Blut spritzte durch die Luft, und der Junge schrie entsetzt auf.
Venera spähte durch den blauen Pulverdampf. Der Mann, der Chaison hatte töten wollen, hing zuckend in der Luft, und die beiden Adeligen starrten an ihm vorbei, auf sie.
Sie steckte die Pistole in ihre Tasche zurück. »I-ich habe gesehen, dass Sie in Gefahr waren«, sagte sie und war selbst überrascht, wie ruhig ihre Stimme klang. »Für eine Warnung war keine Zeit mehr.«
Chaison schwebte herüber. Er schien beeindruckt. »Ich danke Ihnen«, sagte er höflich und senkte den Kopf. »Sie haben mir das Leben gerettet.«
In ihren Tagträumen hatte Venera in solchen Momenten immer die perfekte Antwort parat. Aber nun sagte sie nur: »Ach, ich weiß nicht.«
Er lachte.
Dann streckte er ihr die Hand hin. »Kommen Sie. Wir müssen bei der hiesigen Polizei eine Aussage machen.«
Venera errötete und wich zurück. Man durfte sie hier nicht finden - das gäbe einen
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