Saga von Dray Prescot 22 - Jikaida-Zyklus 04 - Ein Sieg für Kregen
dem Osttor. Viele kleinere Reittiere waren hier an Geländer gebunden und warteten auf ihre Herren; größere Tiere waren dagegen seltener vertreten – nur drei Totrixes und eine Zorca.
Die Mauern bestanden aus gebranntem Lehm, das Dach war mit Ziegeln gedeckt, die Schornsteine aus Backsteinen. Und die Fenster verfügten über Glasscheiben. Diese Zeichen von Luxus fanden ihre Bestätigung in dem Schild, das an einer langen Stange baumelte. Der Prychan, die sandgoldene pelzige Version des schwarzen Neemu, war hier auffällig und phantasievoll dargestellt. Der Neemu ließ meine Gedanken erneut nach Hyrklana zurückkehren, wo die dicke Königin Fahia Neemus wilde Jagdkatzen zu ihrem Thronschmuck erkoren hatte.
Mit schiefgelegtem Kopf starrte ich auf das Schild, als ich plötzlich einen Schatten neben mir spürte. »Du schaust dir den Prychan schon ziemlich lange an, Dom«, sagte eine Stimme. »Möchtest du dir die Rippen eindrücken lassen? Oder ziehst du einen gebrochenen Arm vor – nur den einen, da du ja nur zwei besitzt.«
Ich senkte den Blick.
Er war breit. Er war stämmig. Er lächelte, wobei seine Unterlippe wie ein Bugsegel im Sturm zitterte. Er trug eine enge purpurne Hose und darüber einen Lendenschurz aus Werstingfell. Ansonsten war er nackt – nackt und haarlos. Er war ein Chulik.
Ich atmete tief ein.
»Llahal, Dom. Ich habe das Schild bewundert. Du bist Ringer?«
»Ich bitte dich, Dom. Lehn mein Angebot nicht ab. Ich bin gut, denn ich habe gestern abend Tranko besiegt – ein Sieg, den ich ihm schuldig war.«
Dem Chulik waren die Hauer dicht über dem Zahnfleisch abgefeilt worden – eine schmerzhafte Prozedur. So sehr ich das Auftreten der Chuliks sonst auch verabscheute, so war mein Verständnis für sie letzthin doch gewachsen. Von Geburt an auf ein Söldnerleben hinerzogen, sind sie hervorragende Paktuns, die einen hohen Sold verlangen. Nicht allein wegen ihres bedrohlichen Aussehens, sondern auch wegen ihrer Kampfkraft sind sie ihr Geld im allgemeinen wert. Dieser aber, ohne Hauer ... ein Ringer auf einem Jahrmarkt? Ach, armer Turko!
Da ich nicht sofort antwortete, fuhr der Chulik schon weniger freundlich fort: »Du bist unhöflich. Ich bin Kimche der Greifer. Ich muß dir Benehmen beibringen.«
»Hör mal, Kimche der Greifer. Ich möchte nicht gegen dich kämpfen ...«
»Ich habe nicht von Kämpfen, sondern von Ringen gesprochen.«
»Warum sollte ich? Beim Gesegneten Pandrite! Warum?«
»Warum?« Diese Frage schien ihn ehrlich zu verwirren. Er schüttelte den kahlen gelben Kopf. »Warum? Du machst dich über mich lustig. Über mich! Ist dies nicht der ›Goldene Prychan‹?«
»Das nehme ich an.«
»Nun – also, Onker!«
Nun endlich begriff ich, was er meinte.
»Ach ... der ›Goldene Prychan‹ ... Hier wohnen also nur Ringer!«
»Geh in die Grundposition, die dritte Syple des Hikaidish. Schütze dich!«
»Ich bin bewaffnet«, sagte ich.
Nun war er noch verwirrter und begann sich aufzuregen. Die Brust schwoll ihm an. Seine eingeölte gelbe Haut streckte sich wie ein Trommelfell.
»Du redest hier von Waffen? Du bist dekadent oder verrückt!«
Hätte ich einen Hut besessen, hätte ich ihn jetzt zu Boden geworfen und darauf herumgetrampelt.
Bei Zair!
»Ich bin kein Ringer. Ich bin hier, um jemanden zu suchen ...«
»Wenn du zu ängstlich bist, um eine Runde mit Kimche dem Greifer zu wagen, nun, Dom, dann hättest du es gleich sagen sollen. Es ist keine Schande, meine Griffe zu fürchten.« Auf seinem Gesicht erschien ein öliges Lächeln, und er versetzte mir einen Schlag auf den Rücken. »Jetzt verstehe ich!«
»Wenn du es so sehen willst.«
»Natürlich!« Seine schlechte Laune verflog. »Das ist doch keine Schande, Dom. Bei der Verräterischen Likshu! Ich verstehe dich!« Dann steckte er die Daumen in den Mund und begann die jämmerlich aussehenden Zahnstümpfe zu massieren.
Ich schaute mich um. Niemand war zu sehen. Kimche nahm die Daumen aus dem Mund, spuckte aus und sagte sehnsüchtig: »Trotzdem hätte ich gern mal ein oder zwei Runden mit dir gemacht. Ich passe ganz gut zu dir.«
»Vielleicht kennst du den Mann, den ich suche.«
»Es gibt ihn wirklich?« Wieder schaute er mich verwirrt an, und vermutlich mußte er sich erneut mit dem Grund befassen, den er sich zurechtgelegt hatte, warum ich seine freundliche Einladung zum Ringen nicht angenommen hatte.
»O ja, es gibt ihn. Er heißt Turko ...«
Hastig sah er sich um und hob einen Finger an die
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