Saga von Dray Prescot 22 - Jikaida-Zyklus 04 - Ein Sieg für Kregen
sagte ich.
»Möglich.« Ravenshal besaß eine große Lebenserfahrung, auch wenn dies sein nervöses Gehabe nicht sofort erkennen ließ. »Aber es ist einsam da oben in den Bergen.«
»Deshalb ist sie ihm durchgebrannt. Sicher wegen eines jungen Kerls aus der Stadt.«
»Wenn Notor Pergon ihn erwischt, wird er sich wünschen, die Frau eines anderen in Ruhe gelassen zu haben.«
»Streng ist er, dieser Notor Pergon, nicht wahr? Dabei besitzt die Stadt ihren berüchtigten Jahrmarkt ...?«
Wieder fuhr sich Ravenshal über den Schnabel. »Ja, er ist streng. Ein Strom, ein Titel, auf den er stolz ist. Der Jahrmarkt bringt Geld. Notor Pergon wird auf jeden Fall die hundert Silber-Dhems für seine Mühen einstecken und den jungen Mann dafür tüchtig durchgerben lassen.«
»Wenn er ihn erwischt.«
»Das wird er, wird er – wenn es den Mann überhaupt gibt. Er regiert die Stadt so sicher, wie die Sonnen sich am Himmel bewegen, unser Notor.«
Auf diese Weise erfuhr ich einiges über den Ort, in dem mein Turko sein Leben verbrachte.
Der liebenswürdige Schriftgelehrte freute sich auf die Rückkehr zu seiner Frau und seinen Kindern. Er erwähnte, daß er in einem hübschen kleinen Haus unweit der Männerquartiere des Stahlwerks lebe. »Dort gibt es immerhin regelmäßige Arbeit, Jak.« Dann bewegte er auf die typische anmutige Art eines Relts den Schnabel und fügte hinzu: »Ich weiß nicht, warum du nach Mahendrasmot willst, aber es wäre mir eine große Ehre, wenn du heute abend mit mir und meiner Familie zu Abend äßest ...«
Ich antwortete mit einem Ernst, der nicht vorgetäuscht war: »Die Ehre ist ganz auf meiner Seite, Schreiber Ravenshal. Es ist mir eine große Freude.«
Und so betrat ich, ein geächteter Freigeist, wie Sie selbst am besten wissen, diese strenge Stadt, die ihre negative Seite diskret hinter dem Jahrmarkt versteckte.
Das Haus des Relts war klein und licht, seine Frau charmant, die Kinder wohlerzogen, ein lebhafter, verspielter, gefiederter Haufen. Wir aßen gut, Wein wurde aufgetragen, die Lampen brannten, und als ich davon zu sprechen begann, daß ich mir eine Schänke für die Nacht suchen müßte, drängte man mir das Gästezimmer auf, das früher Rashenkas Schwester gehört hatte, die inzwischen fünfzig Dwaburs entfernt an der Küste lebte.
Rashenka brachte die Lampe in das saubere Gästezimmer, Ravenshal wünschte mir eine gute Nacht, und lächelnd zogen sich die beiden zurück.
Ich ließ die übliche Vorsicht walten und behielt beim Schlafen die Waffen in der Nähe.
Am Morgen wurde ich wiederum lächelnd begrüßt und mit hervorragendem kregischen Tee und kleinen achteckigen Keksen bewirtet, die Ordums genannt werden. Ich reckte mich. Nach der Morgentoilette gab es ein reichliches Frühstück mit knusprigem Vosk-Speck, Loloo-Eiern, rotem Honig, Palines – und mehr Tee.
Wie Sie sehen, gibt es auf Kregen ebenso wie auf der Erde nette, einfache Leute, mit denen man gut auskommt.
Von Bezahlung zu sprechen, wäre kränkend gewesen.
Ich ging los und fand im nächsten Bazar einen kleinen Banje-Laden, der auch Spielzeug führte, und erstand einige Kleinigkeiten für die Kinder, ehe ich mich verabschiedete und auf den Weg zum Goldenen Prychan machte.
Hätte ich Ravenshal vor Straßenräubern gerettet, hätten er und seine Frau mich nicht aufmerksamer bewirten können. Dabei waren sie Diffs und ich ein Apim. Wahrlich, so überlegte ich, dies war eine Einstellung, wie sie in Paz dringend geboten war, um eine Chance gegen die gefährlichen Shanks zu haben.
Die Tatsache, daß der Schreiber den einsamen Dschungelweg hatte nehmen können, ohne überfallen zu werden, zeigte zugleich an, daß der strenge Pergon sein Stromnat gut im Griff hatte. In mancher Beziehung konnte das für mich von Vorteil sein. Aber worauf hatte sich Turko hier eingelassen?
Der berüchtigte Jahrmarkt von Mahendrasmot entsprach nicht meinen Erwartungen. Zunächst war er von einem hohen Holzzaun umschlossen, bewacht von Uniformierten, die auch die Tore kontrollierten. Früh am Morgen wirkte der Markt irgendwie schäbig. Baldachine und Zelte flatterten in der frischen Brise, doch ansonsten hingen die Wimpel schlaff herab. Der weiche Boden zeigte noch die Spuren unzähliger Füße vom Vorabend. Der tägliche Regen sorgte dafür, daß die Besucher nur auf den Bretterwegen einigermaßen sauber vorankamen. Es machte keine Mühe, den Jahrmarkt zu betreten.
Der ›Goldene Prychan‹ war ein großes Gasthaus direkt gegenüber
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