Saga von Dray Prescot 30 - Pandahem-Zyklus 04 - Die Klauen von Scorpio
nicht, was wir tun sollen.«
Pompino ließ nicht locker: »Du warst also schon zweimal in dem üblen Laden – und der steht immer noch! Und all die Mädchen!«
Energisch gab ich Kontra: »Wir zünden die Ruine heute abend an, wenn du willst. Aber vorher müssen wir die neuen Opferkinder retten. Du hast hier schon einmal einen Tempel in Flammen aufgehen lassen. Ich kann nicht erkennen, daß das den Eifer der Irrgläubigen irgendwie gedämpft hätte.«
»Beim Mächtigen Horato! Du sprichst harte Worte!«
»Ich hab's dir schon einmal gesagt: Wir müssen erfolgreichere Methoden gegen diesen Kult finden, als nur Tempel zu zerstören. Wir müssen das Denken und Fühlen der Lem-Anhänger verändern ...«
»Indem wir ihnen die Köpfe von den Schultern holen! Das würde ihr Denken verändern, ha!«
So ging die Diskussion hin und her, und ich genoß die Auseinandersetzung, auch wenn ich zugeben muß, daß einige Teilnehmer Dafni an Gesprächigkeit durchaus ebenbürtig waren.
Von den höchsten Wehrgängen des Zhantil-Palasts aus gesehen, schimmerte das Meer von Opaz unter dem Licht der Sonnen. Dieses Meer bildet die Straße zwischen Pandahem und Vallia. Vor meinem inneren Auge sah ich sie gefüllt mit den Segeln ganzer Flotten, die sich auf Vallia zu bewegten und Horden von bewaffneten und gepanzerten Kämpfern beförderten, die gewillt waren, das Inselreich, das ich meine Heimat nannte, erneut in die Knie zu zwingen.
Die Vorstellung, daß alles das, wofür meine Gefährten und ich gekämpft hatten, schon wieder durch Schwert und Brand vernichtet werden könnte, war unerträglich.
Einsam wanderte ich über die hohen Zinnen und ließ mir das erhitzte Gesicht von der Brise kühlen. War ich nicht Dray Prescot, Lord von Strombor und Krozair von Zy? War ich nicht auch Herrscher von Vallia? So gesehen, mußte ich den Aufbruch der Armada gegen Vallia verhindern oder zumindest ihre Wirkungskraft beschneiden – nur gut, daß man hier in Pandahem auf Segelschiffe angewiesen war. Auf dieser Insel verfügte niemand über die Luftboote der anderen Nationen und auch nicht über fliegende Segelschiffe. So konnte man sich nicht mit Vollern gegen mein Vallia rüsten.
Hastige Schritte ertönten auf der Treppe hinter mir. Ich schaute nicht zurück, sondern starrte gegen die Brise auf das bewegte Meer hinaus.
»Jak! Zum Teufel, was ...?«
Ich rührte mich nicht.
Weiter vorn, an einer Ausbuchtung in der Wehrmauer, stand eine Frau. Sie hatte den Kopf gesenkt, und die hellblaue Robe fiel in glatten Falten ab und bildete um ihre Füße einen Kreis.
Sie hob den Kopf, und das kastanienrote Haar schimmerte in einem Licht, das nicht von den am Himmel stehenden Zwillingssonnen stammen konnte.
Ihr Mund, der in der seltsamen Beleuchtung klein und beinahe schwarz wirkte, rundete sich. Sie sprach. Ich hörte nichts; an meine Ohren drang nur das Krächzen von Möwen, die über der Burg kreisten. Der Wind wehte, die Sonnen leuchteten stark, und in großer Höhe segelten Wolken nach Osten.
Die Frau sprach zu mir. Das Gesicht verriet Anstrengung. Aber ich verstand nichts.
»Beim Mächtigen Horat! Ein Gespenst!« Pompino erschien schwungvoll neben mir, und ich hörte ihn rauh und heiser atmen. »Eine Hexe, von ihrem Ib losgebrochen!«
»Sie will uns etwas sagen – doch was?«
Die gespenstische Gestalt winkte. Eine schmale weiße Hand hob sich aus einem weiten Ärmel, die Lippen krümmten sich pantomimisch über Worten – einem Wort –, das ich einfach nicht verstand.
Neben mir explodierte eine schrille, aufgeregte Stimme: »Mindi!«
Die Erscheinung begann zu sprechen, lautlose Worte hervorzusprudeln.
Dann verschwand sie wie eine Feder, die in die Lodernden Feuer von Inshurfrazz geworfen wurde.
Ich fuhr herum. »Framco – wenn das die Verrückte Mindi gewesen ist, was wollte sie uns sagen?«
Der Fristle-Cadade zupfte an seinen Schnurrbarthaaren, machte dabei aber einen entschlossenen, wilden Eindruck.
»Horter, ich glaube, ich bin sicher, sie sprach von Plaxing ...«
»Das ist der Ort, wohin Tilda nach Aussage der Sybli Suli reisen wollte.«
»Es könnte sich um einen magischen Trick handeln«, gab Pompino zu bedenken.
»Du hast einmal gesagt, Framco, du traust der Verrückten Mindi nicht.«
»Ganz recht. Aber sie hat Kov Pando und seiner Mutter, der Kovneva, früher sehr geholfen. Ich bin nicht sicher ...«
»Fest steht, daß wir jemanden nach Plaxing schicken müssen. Das ist das mindeste, was wir tun können.« Pompino
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