Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Conill sagen, dass sie sie von ihm habe. Dann verabschiedete er sich und wünschte ihr Erfolg. Sie dankte ihm und wählte, kaum, dass er die Tür hinter sich geschlossen hatte, die Nummer des früheren Leiters der Regionalredaktion. Nach langem Klingeln sagte eine laute Stimme gedehnt »Ja? …«
»Señor Conill?«
»Am Apparat. Mit wem spreche ich?«
»Ich bin Mabel Santamaría von La Vanguardia . Pascual Arrese hat mir Ihre Nummer gegeben.«
»Wie geht es dem besten Fotografen der Welt und eines Teils außerhalb ihrer?«, erkundigte er sich. Offensichtlich war er in guter Stimmung.
»Gut. Er lässt Sie grüßen.«
»Grüßen Sie ihn zurück. Der Mann versteht sein Fach. Wir sind gute Freunde, und Sie«, fuhr er fort, »kenne ich auch. Sie haben doch bei uns angefangen, kurz bevor ich gegangen bin.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich noch an mich erinnern.«
»Sie müssen wissen«, sagte Conill mit betörender Stimme, »dass ich ein hübsches Gesicht nie vergesse, schon gar nicht, wenn es von langen kastanienbraunen Haaren umrahmt ist und man weiter unten Beine wie die des Supermodels Adriana Karembeu sieht …«
Mabel lachte. »Seitdem ist viel Wasser den Ebro runtergeflossen, und aus dem jungen Mädchen ist eine Frau geworden, die ihre Haare kurz trägt … Haben Ihnen meine Beine wirklich gefallen?«
»Mir und allen Kollegen in der Redaktion.« Conill lachte laut heraus. »Da wurde von nichts anderem gesprochen.«
»Das hätte ich nie gedacht«, sagte Mabel überrascht und strich sich unwillkürlich stolz über die Schenkel.
»Zwölf Jahre ist das jetzt schon her«, sagte er. »Aber ich wette, dass Sie noch genauso hübsch aussehen wie damals.«
»Danke für das Kompliment«, sagte Mabel aufrichtig. »Aber wie Sie sich vermutlich denken können, habe ich Sie nicht angerufen, um von Ihnen Schmeicheleien zu hören.«
»Das hatte ich befürchtet«, sagte er voll Selbstironie. »Was kann ich also für Sie tun?«
»Ich hoffe, eine ganze Menge, falls Sie ein ebenso gutes Gedächtnis für Zeitungsmeldungen wie für das Aussehen von Frauen haben.«
»Lassen Sie hören.«
»Gestern hat man am Strand von Bogatell eine Männerleiche gefunden«, sagte Mabel mit veränderter Stimme, »die von der Polizei nicht mittels daktyloskopischer Verfahren identifiziert werden konnte, weil sie keinerlei Papillarleisten an den Händen hatte. Ich meine mich zu erinnern, dass wir kurz nach meinem Eintritt in die Redaktion einen ähnlichen Fall hatten, finde den Artikel aber in unserem digitalisierten Archiv nicht. Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie etwas darüber wissen und mir weiterhelfen könnten.«
»Das können Sie in der Datenbank aus dem einfachen Grund nicht finden, weil der Artikel nie in Druck gegangen ist«, teilte ihr Conill mit. Der Mann musste ein wahres Elefantengedächtnis haben.
»Wieso nicht?«
»Das war so: Im Juni 1982 hat jemand versucht, aus der Kathedrale von Gerona die äußerst wertvolle illuminierte Beatus-Handschrift zu stehlen. Der Küster hat den Mann entdeckt, als er sich bei seiner Flucht am Regenrohr herunterlassen wollte. Dabei ist er aus großer Höhe abgestürzt, hat sich das Rückgrat gebrochen und war von Stund an querschnittsgelähmt. Identifizieren konnte man ihn nicht, weil er nie ein Wort sagte, keine Papillarleisten an den Händen hatte und DNA-Untersuchungen zu jener Zeit bei der Polizei noch nicht üblich waren.«
»Und warum ist der Bericht nicht gedruckt worden?«, fragte sie verwirrt.
»Anfang Juni 1982 ist förmlich eine Lawine von Meldungen über uns hereingebrochen«, erläuterte Conill. »Genau zur Zeit des versuchten Diebstahls wurde das Urteil über die am Putsch des Obersten Tejero vom 23. Februar 1981 Beteiligten gesprochen, dann brach zwischen Argentinien und Großbritannien der Falkland-Krieg aus, in Südostasien tobten Monsumstürme, Israel führte eine umfangreiche militärische Operation gegen den Libanon durch, der Absturz einer brasilianischen Boeing im Pocatuba-Gebirge forderte über hundert Todesopfer, und so ging es weiter. Wir mussten also streng sortieren, und so kam es, dass La Vanguardia nicht über den missglückten Diebstahl des ›Beatus von Gerona‹ berichtet hat.«
»Wissen Sie das Datum genau?«
»So genau wie meinen eigenen Namen«, bestätigte er. »Warum fragen Sie?«
»Was Sie mir gerade erzählt haben, war 1982«, erklärte sie nachdenklich, »aber ich bin erst im März 1997 in die Redaktion eingetreten. Wie Sie selbst
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