Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
halten wir bei der Polizei zusammen. Eines Tages wirst du das verstehen und dich auch daran gewöhnen müssen, dass ich ab und zu nicht zu Hause bin.«
Sie gab nach. Zwei Tränen der Rührung liefen ihr über die Wangen. Nach all den Jahren ihrer Beziehung hatte er ihr zum ersten Mal einen Heiratsantrag gemacht – auf seine Weise.
Munárriz strich sich mit der Hand über die Haare. Er musste unbedingt alle Kräfte bündeln, um in der Sache weiterzukommen. Der Überfall auf Mabel hatte seine Pläne vollständig durcheinandergeworfen. Jetzt musste er zusehen, dass er die Initiative gewann und selbst zum Angriff überging. Auf keinen Fall durfte er zulassen, dass ihn die Ereignisse ein zweites Mal überrollten. Er hatte nur eine Fährte, der er folgen konnte: den Toten am Strand von Bogatell, der nach Castillas Aussage aufgrund der DNA-Analyse und des Etiketts in seinem Hemd mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Kroate war. Das war die Fährte des vom Orden des Hundes und Hahns in Marsch gesetzten Auftragsmörders, der Begoña Ayllón getötet hatte. Bevor er aber tätig wurde, musste er unbedingt feststellen, welche Rolle dieser Giovanni Falcone in der verworrenen Geschichte spielte.
Am Steuer seines Peugeot versuchte er dem Weg zu folgen, den der Chrysler genommen hatte, um das Haus im Stadtteil Desierto de Sarrià zu finden. Dank einiger Einzelheiten, die er sich eingeprägt hatte, fand er sich in dem Gewirr enger Sträßchen mit ihren leicht heruntergekommenen hochherrschaftlichen Villen einigermaßen zurecht, so dass er nach mehreren vergeblichen Anläufen auf die gesuchte Sackgasse stieß. Er stellte den Wagen ab und ging zu Fuß weiter. Schon nach wenigen Schritten stand er vor dem Gittertor zu dem großen vernachlässigten Park. Ein Vorhängeschloss an einer schweren rostigen Kette versperrte den Zutritt. Er sah in den Park hinein: Alles war wie beim vorigen Mal. Der Barockbrunnen mit den beiden moosbewachsenen Becken stand da, er sah das Vordach über dem Hauseingang, den dicken Teppich aus welken Blättern … Er klingelte mehrere Male, doch niemand meldete sich.
»Da wohnt keiner«, sagte jemand hinter ihm.
Er wandte sich um. Ein städtischer Arbeiter kehrte Laub zusammen.
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Ich kehr die Straße hier schon seit fünf Jahren«, sagte der Mann, auf seinen Besen gestützt, »und hab da noch nie jemand gesehen.«
»Das kann nicht sein«, widersprach Munárriz. »Vorgestern waren hier Leute.«
»Vielleicht waren die vom Maklerbüro«, gab der Mann zurück. »Das Haus soll verkauft werden, und manchmal kommen welche, die es sich ansehen. Der Kasten kostet sicher eine ganze Stange Geld.«
»Es soll verkauft werden?«
»Sehen Sie da oben.« Damit wies er auf ein großes Schild an einem der Balkone im ersten Stock. »Ich hab auch schon Zeitungsanzeigen dafür gesehen.«
Munárriz hob den Blick. Tatsächlich. Auf dem Schild eines über die Grenzen Barcelonas hinaus bekannten Maklerbüros stand groß und deutlich ZU VERKAUFEN. Er dankte dem Straßenkehrer und eilte zu seinem Wagen. Man hatte ihnen Theater vorgespielt, und sie waren darauf hereingefallen.
III
Barcelona
Calle Diputació 339
Wohnung von Antonio Gaudí
Fastenzeit 1894
I m Licht der Deckenlampe blitzte der Gegenstand, den Francisco Gaudí in Händen hielt, bei jeder Bewegung auf. Wie hypnotisiert betrachtete er das kleine T-förmige goldene Kreuz an seiner Kette aus dem gleichen Metall. Seit vielen Jahren hatte er es immer wieder neugierig angesehen, nachdem der Vater es ihm auf dem Totenbett als Vermächtnis weitergegeben hatte. Es ging in der Familie offenbar seit Jahrhunderten von einer Generation auf die nächste über, doch kannte niemand dessen Ursprung oder Bedeutung. Wie wohl schon so mancher seiner Vorfahren in ferner Vergangenheit hatte er sich bemüht, die geheimnisvollen Zeichen darauf zu entziffern, aber stets ohne den geringsten Erfolg. Gott allein mochte wissen, wie viele Stunden er in seiner Werkstatt im Mas de la Calderera von Riudoms damit zugebracht hatte.
Er hatte sein ganzes Leben als Kupfer- und Kesselschmied gearbeitet, Destillierkolben für Schnapsbrennereien, Kessel und Kannen für den Küchengebrauch sowie Waschschüsseln hergestellt und war daher mit den Tücken der Metallbearbeitung bestens vertraut. In diesen vielen Jahren hatte er so manchen herausragenden Goldschmied kennengelernt, doch aus den Händen keines von ihnen war je ein so kostbares Kreuz
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