Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Name würde ihn in Zukunft als Krieger im Dienste Christi ausweisen. Anschließend stellte der Mönch mit feierlicher Geste eine Waschschüssel voll Schwefelsäure vor ihn und forderte ihn auf, vorsichtig beide Handflächen hineinzutauchen. Während Abdias ein scharfer Geruch nach Versengtem in die Nase stieg, spürte er ein schneidendes Brennen. Der Schmerz war so fürchterlich, wie er es bei keiner seiner Geißelungen je empfunden hatte.
Nach einigen Minuten durfte er die Hände herausnehmen. Die Säure hatte Handflächen und Fingerspitzen vollständig verätzt. Anschließend musste er seine Füße in die Schüssel tauchen. Wieder gehorchte er, wieder nahm er den durchdringenden Geruch wahr, während ihm der entsetzliche Schmerz von den Füßen bis unter die Schädeldecke stieg. Er biss die Zähne mit aller Kraft zusammen, um nicht laut zu schreien. Nach einer Weile bedeutete ihm Pater Amorós, dass das Ende der Qual gekommen war, und hieß ihn Hände und Füße in einer Schüssel mit klarem kalten Wasser abspülen. Allmählich ließen die Schmerzen nach. Abschließend strich der Dominikaner eine antibiotisch wirkende lindernde Salbe auf die verätzten Stellen und legte ihm Verbände an. Aus Erfahrung wusste der Mönch, dass es etwa einen Monat dauern würde, bis sich die Haut an Händen und Füßen erneuert hatte, doch ohne die verräterischen Hautleisten, die Spuren hinterlassen konnten. Sie waren in alle Zukunft verschwunden.
Nach seiner Heilung verließ Abdias das Heim. Pater Amorós hatte ihm ein Zimmer im Arbeiterviertel Turó de la Peira besorgt, in das im Laufe der sechziger Jahre vorwiegend Einwanderer geströmt waren, und nach einer Weile bekam er eine Anstellung als vereidigter Wachmann an der Sagrada Familia .
Abdias verließ die U-Bahn am BahnhofVilapicina und eilte auf ein vom Verfall gezeichnetes Haus zu, in dem sich seine private Zuflucht befand. Stets benutzte er statt des Aufzugs die Treppe, und vermied es nach Möglichkeit, in Gespräche mit anderen Hausbewohnern verwickelt zu werden. Wann immer er einem von ihnen begegnete, begnügte er sich mit knappen Gruß- und Abschiedsformeln. Er schloss die Tür auf und trat in den schmalen Gang, dessen Wände voller Rosenkränze hingen, die er auf Pilgerfahrten an verschiedenen Marienheiligtümern erworben hatte. Von dort ging es ins Wohn- und Esszimmer, ein kleiner Raum, der lediglich einen Tisch, einen Stuhl und ein zweisitziges Sofa enthielt, dessen stark abgewetzter Bezug zahlreiche Fettflecken aufwies. An den Wänden standen auf kleinen Sockeln Hunderte von Mariendarstellungen aus Holz, Kunstharz oder Gips in verschiedenen Anrufungsformen. Außerdem sah man im Raum Dutzende Kruzifixe, Madonnen-Abziehbilder auf Flaschen mit wundertätigem Wasser und geweihte Marienbilder aus Wallfahrtsorten wie Montserrat, Lourdes, Fatima, Carabandal, Tschenstochau oder Turkovka. An den Wänden hingen Zeitungsausschnitte mit Bildern und Berichten über die Besuche der Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. in Spanien sowie Plakate, auf denen Pius XII., Paul VI. und Johannes Paul I. dargestellt waren. Überdies fanden sich Reliquiare und Skapuliere verschiedenster Herkunft, Heiligenskulpturen aus Kunststoff und zu Neujahr geweihte Öllämpchen.
Er zog seine Dienstuniform aus und betrat vollständig nackt sein mit einer Bettcouch, einem Nachttisch und einem Kleiderschrank möbliertes Schlafzimmer. Gegenüber einem großen Kruzifix, neben dem an der Wand lederne Bußgürtel mit eingearbeiteten Dornen und Metallstacheln hingen, stand ein hölzerner Betstuhl mit Rohrgeflecht. Er band sich einen der Bußgürtel straff um den Oberschenkel, kniete vor dem Gekreuzigten nieder und peitschte seinen Rücken mit der Geißel, die über dem Betstuhl hing, während er psalmodierte: »Der Herr gibt den Tod und das Leben, er schickt Verdammnis und Heil … Der Herr vernichtet seine Feinde …« Dann rieb er sich die Geschlechtsteile mit Brennnesseln, um seine sexuelle Begierde zu unterdrücken, die ihn sonst am Einschlafen hindern würde.
Nachdem er seine Gebete verrichtet und sich kasteit hatte, trat er unter die Dusche. Als er den Kaltwasserhahn aufdrehte, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Vom Blut seiner Wunden rot gefärbt, verschwand das Wasser durch den Abfluss. Die Kälte linderte seine Schmerzen ein wenig. Er trocknete sich ab und betrachtete seinen Rücken im Spiegel. Neben einer Vielzahl kleiner Narben sah er die offenen Striemen der jüngsten Geißelung
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