Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Dann war ihr natürlich klar, dass Sie das Buch sofort durchblättern und dabei auf den Schlüssel stoßen würden«, folgerte er im Versuch, eine Erklärung zu finden. »Das Buch ist lediglich der Überbringer der Botschaft. Diese Botschaft ist der Schlüssel.«
»Ich verstehe«, schloss sich Bonastre seiner Meinung an. »Aber ich weiß ja nicht mal, wozu er gehört.«
»Sie nicht«, bestätigte Munárriz, »Ihre Verlobte wusste es aber sehr wohl. Sie wollte, dass er in Sicherheit ist.«
»Ich kann Ihnen nicht folgen.«
»Nun, Ihre Wohnung ist gegen Einbrüche gesichert wie der Tresorraum einer Bank«, sagte er und ließ den Blick über die Alarmeinrichtungen laufen. »Die Tür ist gepanzert, überall sitzen Wärmefühler und Bewegungsmelder, die Fensterscheiben sind mit Glasbruchmeldern gesichert, und vermutlich ist das Ganze über eine direkte Telefonleitung, wenn nicht gar über Funk, mit einer Meldezentrale verbunden … Mithin ist der Schlüssel hier so sicher wie in Abrahams Schoß.«
»Diese Sicherungen sind wegen der Möbel und Gemälde erforderlich«, sagte Bonastre, als müsste er sich rechtfertigen. »Die Versicherungen verlangen ein bestimmtes Maß an Schutz als Voraussetzung für die Ausstellung einer Police.« Er ließ eine Pause eintreten. »Wenn es sich um den Schlüssel zu einer gepanzerten Tür oder einem Safe handelte, würde ich das ja verstehen. Aber wen könnte so ein Stückchen Metall schon interessieren?«
»Eine berechtigte Frage«, sagte Munárriz, der das selbst gern gewusst hätte. »Könnten Sie mir den Schlüssel eine Weile überlassen?«
»Bitte«, gab Bonastre zurück. Er konnte seine Neugier nicht bezähmen und fragte: »Haben Sie herausbekommen, was Begoña in Soria wollte?«
»Ja. Sie hat sich mit Hochwürden Ramírez unterhalten und gemeinsam mit ihm eine Wallfahrtskapelle aufgesucht«, gab er zur Antwort, ohne auf Einzelheiten einzugehen.
»Etwa San Bartolomé?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Sie hat oft davon gesprochen. Einmal hat sie mich dahin mitgenommen. Ehrlich gesagt konnte ich der Kapelle da mitten in der Wildnis nichts abgewinnen. Am besten ist noch die Landschaft drum herum. Ich weiß nicht, mir sind die Kathedralen von Burgos und León deutlich lieber. Außerdem mussten wir fast zwei Kilometer weit laufen«, fügte er brummig hinzu.
Beim Verlassen des Hauses musterte Munárriz den Schlüssel noch einmal genauer. Er lächelte befriedigt. Ein kleiner Fortschritt. Endlich hatte er etwas in der Hand. Ein Fadenende, an dem er ziehen konnte, um das Gewirr aufzulösen. Ihm war aufgegangen, warum die Restauratorin nichts dazugeschrieben hatte: Sie konnte nicht ahnen, dass man sie umbringen würde. Sie hatte lediglich dafür sorgen wollen, dass der Schlüssel in Sicherheit war. Vielleicht hatte sie einen Grund gehabt zu vermuten, dass es jemand auf ihre Wohnung in der Calle Santaló abgesehen haben könnte.
Unruhig spähte der Mann hinter einem dichten Bastvorhang, der das Licht abhielt, durch einen schmalen Fensterspalt auf die Straße im Stadtviertel Ribera hinaus. Man hatte ihm klare Anweisungen erteilt, und die hatte er buchstabengetreu befolgt. Man hatte ihm das Foto einer Frau gegeben, die er töten sollte. Das hatte er getan, sich gleich darauf des Fotos entledigt und umgehend diese Wohnung aufgesucht, die man ihm vorher genannt hatte. Dort hielt er sich seither verborgen und wartete darauf, dass ein »Kurier« kam, um ihn aus dem Lande zu bringen. Er hatte alles getan, was man ihm aufgetragen hatte. Schon seit über einer Woche saß er in diesem heruntergekommenen Wohnblock fest, ohne sich rühren zu können. Kein Wunder, dass seine Anspannung, die innere Unruhe und Ungewissheit immer mehr zunahmen. Durch den Spalt sah er das Straßenpflaster, die durch Poller von der Fahrbahn abgetrennten schmalen Gehwege, die Fassaden alter Häuser, die illegalen Einwanderern Unterschlupf boten, sowie Geschäfte mit verrosteten Ladenschildern und ausgebleichten Auslagen. Seit über einer Woche lebte er von Essiggemüse, Stockfisch, Trockenobst, Hülsenfrüchten und Nudeln sowie einer Art Astronautennahrung in Tuben und Konserven, die er sich auf einem kleinen Camping-Kocher zubereitete. All das hatte er bei seinem Eintreffen in einem von Holzwürmern zerfressenen Schrank vorgefunden.
Wenn sich nachts Ruhe über das Viertel senkte, hörte er vom Hafen her das Dröhnen der Sirenen ein- oder auslaufender Schiffe. Die kalte und klamme Nachtluft ließ ihn bis ins Mark
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