Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
gesenkter Stimme. »Ist Ihnen klar, was dahintersteckt?«
»Na klar. Spinner, die behauptet haben, sie könnten Blei in Gold verwandeln«, gab Munárriz ein wenig enttäuscht zurück.
»So würde ich das nicht sagen, auch wenn ich Ihre ablehnende Haltung begreife. Die Alchemisten waren Philosophen und zugleich Vorläufer der heutigen Naturwissenschaftler. Sie verdienen die Hochachtung der modernen Wissenschaft, denn diese verdankt ihnen einen Großteil der Erkenntnisse auf dem Gebiet der Chemie.«
»Vielleicht habe ich mich ungeschickt ausgedrückt«, räumte Munárriz ein.
»Das Denken der Alchemisten«, bemühte der Bibliothekar Munárriz zu überzeugen, »wurde mittels einer hermetischen Sprache beschrieben und in Zeichen und Symbolen dargestellt. Sie wollte außer dem Elixier der ewigen Jugend die sogenannte Quintessenz finden, den Stein der Weisen, der es gestattete, unedles Metall in Gold zu verwandeln.«
»Das klingt aber doch wirklich wie ein Märchen.«
»Gewiss«, sagte Blasco verständnisvoll. »Aber die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Auch neuzeitliche Denker und Wissenschaftler wie Johann Joachim Becher, Georg Ernst Stahl, Newton, Boyle, Leibniz und viele andere waren von der Existenz des Steins der Weisen überzeugt.«
»Und Sie meinen wirklich, eine Handvoll Erleuchteter sei imstande gewesen, unter Zuhilfenahme von Retorten und Destillierkolben auf künstlichem Wege Gold zu erzeugen?«
»Zweifeln Sie daran?«, fragte ihn der Bibliothekar mit dem Ausdruck der Überraschung. »Die Existenz von künstlich hergestelltem Gold ist eine unbestreitbare wissenschaftliche Tatsache. Moderne Teilchenbeschleuniger wie der Linearbeschleuniger am GSI Helmholtz-Zentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt ermöglichen es, Atomkerne wie beispielsweise die von Zink mit einer Protonenzahl von fünfzig auf etwa ein Fünftel der Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen. Dabei wird die Abstoßungskraft anderer Atomkerne überwunden, so die des Kupfers mit neunundzwanzig Protonen, und es kommt zu einer Kernverschmelzung. Weil sich dabei zwei leichte Atomkerne zu einem schwereren vereinigen, entsteht ein neues Element – im genannten Fall ein Kern mit neunundsiebzig Protonen, und das ist nichts anderes als Gold.« Da er sah, dass die Bedenken seines Gegenübers nach wie vor nicht ausgeräumt waren, fügte er nach einigem Überlegen hinzu: »Das CERN, nahe Genf, verfügt mit dem Large Hadron Collider über den größten Teilchenbeschleuniger der Welt. In einem siebenundzwanzig Kilometer langen Ringtunnel, der sich hundert Meter tief teils unter französischem, teils unter Schweizer Boden befindet, werden Atomkerne mit nahezu Lichtgeschwindigkeit aufeinandergeschossen. Wenn dabei zwei frontal zusammenstoßen, kommt es zur Kernverschmelzung. Gerüchteweise hört man auch, dass dort die Umwandlung von unedlen Metallen in Gold an der Tagesordnung ist.«
»Von all dem war mir nichts bekannt.«
»Das dachte ich mir«, sagte der Bibliothekar mit freundlichem Lächeln. Sie sehen also«, fasste er zusammen, um Munárriz die Tragweite seiner Darlegungen klarzumachen, »dass die Umwandlung eines Elements in ein anderes lediglich eine Frage der Kern-Arithmetik ist.«
»Warum stellt man in dem Fall nicht einfach Gold in großem Maßstab her?«
»Weil die bei diesem Prozess anfallenden Produktionskosten den Wert des erzeugten Goldes weit übersteigen würden. Das Verfahren ist schlicht und einfach unwirtschaftlich.«
»Aber Teilchenbeschleuniger sind eine Erfindung des 20. Jahrhunderts«, gab der nach wie vor zweifelnde Munárriz zu bedenken. »Im Mittelalter steckte doch die Physik noch in den Kinderschuhen. Wie hätten die Leute da solche Prozesse auslösen können?«
»Da haben Sie Recht«, räumte Andrés Blasco ein. »Die Alchemisten jener Epoche haben nie über etwas verfügt, was der ungeheuren Kraft der Teilchenbeschleuniger auch nur von ferne vergleichbar gewesen wäre. Trotzdem hat sich die Alchemie, deren Geschichte mehr als fünftausend Jahre in die Vergangenheit reicht, stets mit der Element-Umwandlung beschäftigt.«
»Damit ist nicht das Geringste bewiesen…«
»Fulcanelli zufolge, wohl der letzte bedeutende Alchemist des 20. Jahrhunderts, genügt bei manchen Materialien von äußerster Reinheit eine bestimmte geometrische Anordnung, um solche Energien ohne Rückgriff auf Elektrizität oder Vakuumtechnik freizusetzen.«
»Darüber würde ich gern mehr hören.«
»Um das zu beweisen, führte er im Jahre
Weitere Kostenlose Bücher