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Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)

Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enric Balasch
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hatte, »eine goldene Zahl zu suchen, die in Beziehung zur Alchemie und zu der Menschendarstellung steht, wie Leonardo sie in der Nachfolge Vitruvs geschaffen hat. Und diese Zahl soll in den Steinen der Sagrada Familia verborgen sein.«
    »Davon bin ich überzeugt«, bestätigte Grau mit einem Seufzer. »Allerdings ist das lediglich eine Theorie.«
    »Stehen etwa all diese Bilder in einer Beziehung zur Sagrada Familia ?«
    »Nur zum Teil. Manche beziehen sich auf andere Bauwerke.«
    Erneut nahm der Architekt die Fotos und Zeichnungen zur Hand und betrachtete sie aufmerksam, wobei er bisweilen lächelnd den Kopf schüttelte, als riefen sie angenehme Erinnerungen in ihm wach. Von Zeit zu Zeit unterbrach er sich, um einen Schluck Kaffee zu trinken. Nach einer Weile hatte er die Bilder in mehrere Häufchen sortiert, von denen er schließlich eins Munárriz hinschob.
    »Die da«, sagte er, »beschäftigen sich mit der Sagrada Familia . Für Sie gab es keine Möglichkeit, das zu erkennen, weil sie Details bestimmter Figuren zeigen.«
    »Können Sie mir sagen, was das hier bedeutet?« Bei diesen Worten wies Munárriz auf ein Foto.
    »Es ist der Kopf eines Pelikans an der Geburtsfassade«, antwortete Grau, ohne eine Sekunde zu zögern. »Bekanntlich ist dieser Vogel das Symbol der christlichen Nächstenliebe. Die beste Darstellung davon finden Sie im Marienschrein der Hauptkapelle von Las Ermitas , einem Kirchlein im galizischen O Bolo, nebenbei bemerkt eins der bedeutendsten tellurischen Zentren der ganzen Iberischen Halbinsel. Dort zeigt ein Medaillon einen Pelikan zusammen mit dem Text einer mittelalterlichen Legende, derzufolge der Vogel seine Jungen tötet und nach drei Tagen wieder ins Leben zurückruft, indem er sich mit dem Schnabel den Hals öffnet, um sie mit seinem eigenen Blut zu benetzen. Dieser Legende nach hat der Pelikan den gleichen Tod erlitten wie Christus um der Errettung der Menschheit willen.«
    »Das ist ja wohl nur eine von vielen christlichen Legenden.«
    »Gewiss«, räumte Grau ein, dem die kühle Distanz seines Besuchers sichtlich nicht behagte. »Doch dahinter verbirgt sich ein doppelter Sinn. Nichts in der christlichen Kunst des Mittelalters darf man so deuten, wie es sich auf den ersten Augenschein darbietet.«
    »Eine zweite Lesart«, erinnerte sich Munárriz im Gedenken an seine Unterhaltung mit Hochwürden Ramírez.
    »Ganz genau. In der christlichen Symbollehre verbergen sich alchemistische Hinweise. So ist der Pelikan ein Sinnbild für die bei der fraktionierten Destillation verwendete Retorte, die der Überlieferung nach von Maria der Jüdin erfunden wurde, der Begründerin der Alchemie. Mit ihr ließ sich der Destillationsvorgang beliebig verlängern, so, wie der Pelikan seine Jungen in jeder Generation aufs Neue ins Leben zurückruft. Ein Stich im Hortus sanitatis von Albertus Magnus, einem Dominikaner und Alchemisten des 13. Jahrhunderts, zeigt den Pelikan der christlichen Überlieferung in seiner alchemistischen Symbolik.«
    »Und was hat es mit dem da auf sich?«, fragte Munárriz und wies auf ein weiteres Foto.
    »Das ist eine Detailaufnahme eines Schildkrötenpanzers. Am Portal der Barmherzigkeit der Sagrada Familia erhebt sich links und rechts je eine Säule auf einer Basis in Gestalt einer Schildkröte. Zur Bergseite hin ist es eine Landschildkröte, und zur Seeseite hin eine Meeresschildkröte.«
    »Das ist wohl auch wieder ein Symbol mit doppeltem Boden?«, gab Munárriz seiner Vermutung Ausdruck.
    »In der christlichen Überlieferung«, erläuterte der Architekt, »steht die Schildkröte für die moralische Läuterung des sündigen Fleisches durch das Wirken des Heiligen Geistes. Natürlich könnte man sagen, dass es unangebracht ist, Christi Lehre mit einem alchemistischen Unsterblichkeitssymbol in Verbindung zu bringen. Die wahre Bedeutung der Schildkröte, die eine Säule auf ihrem Panzer trägt, verweist auf das Fundament des Himmelsgewölbes, die Entstehung der Urgewässer und die Insel der Unsterblichen.«
    »Steht jedes Foto und jede Zeichnung in Beziehung zu einem alchemistischen Symbol?«
    »Unbedingt.« Graus Stimme klang merkwürdig besorgt. »Sehen Sie«, sagte er und wies auf eine Zeichnung. »Das ist ein Detail aus der Skulpturengruppe vom Portal der Hoffnung. Es zeigt den bethlehemitischen Kindermord. Diese Szene aus dem Matthäus-Evangelium ist in der Alchemie die kryptische Umschreibung der Formel für die Quintessenz, denn wer sie erreichen will, muss

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