Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Christophorus verwendeten.«
»Hat es auch in Spanien einen solchen Bildersturm bei Christophorus-Darstellungen gegeben?«
»Ich kann Ihnen nicht sagen, welche Statuen in unserem Land zerstört worden sind«, gestand Grau. »Nach wie vor sind ausgezeichnete Exemplare in den Kathedralen von Sevilla, Toledo und Zamora erhalten. Im Übrigen ist das inzwischen bedeutungslos, denn die römische Kirche hat Christophorus im Jahre 1968 aus dem Heiligenkalender gestrichen, und zwar hat Papst Paul VI. Christophorus von Lykien aus der Martyrologie ausgeschlossen und ihm den Status eines Heiligen aberkannt, weil er seiner Ansicht nach jeder historisch verbürgten Grundlage entbehrte.«
»Dann hätte also die Kirche mit ihrer Anordnung, die Abbildungen mit der Begründung zu zerstören, sie seien ketzerisch, deren alchemistischen Symbolgehalt zugegeben?«, erkundigte sich Munárriz.
»So ungefähr.«
»Gibt es noch mehr, was ich über diese Fotos und Zeichnungen wissen müsste?«
»Die am weitesten fortgeschrittenen Berechnungen«, bei diesen Worten nahm Grau einige Blätter von dem entsprechenden Häufchen, »beziehen sich auf die Sterne oben an den Türmen der Sagrada Familia .«
»Soweit ich sehen konnte, haben sie jeweils acht Zacken«, bemerkte Munárriz.
»Ja. Und an jeder Turmspitze befinden sich acht Sterne. Ihre jeweils acht Zacken stehen für die ›acht Glückseligkeiten‹ der Templer: Symbol für die beständige Erneuerung des Universums und die Umwandlung der Materie. Damit wird auf den achten Tag der Schöpfung angespielt, das heißt, die Auferstehung Christi als Metapher für die Läuterung des in Gold verwandelten unedlen Metalls. Hier findet sich die Zahl der vier Grundelemente verdoppelt, ganz wie bei den achteckigen Türmen, welche die Templer auf einer quadratischen Basis errichteten.«
»Sie haben mehrfach die Templer erwähnt …«
»Ja. Die Sagrada Familia setzt die hermetische Überlieferung dieses Ordens fort«, unterbrach ihn Grau. »Das gilt nebenbei bemerkt für sämtliche gotischen Kathedralen in ganz Europa.«
»Ich will Ihnen nicht widersprechen«, wandte Munárriz ein, »aber hat man den Templerorden nicht im Jahre 1307 aufgelöst?«
»Sie scheinen schon einmal mit jemandem über die Tempelritter gesprochen zu haben«, sagte Grau mit fragender Miene.
»Spielt das eine Rolle?«
»Durchaus. Sie erwarten von mir Aufrichtigkeit, und daran habe ich mich gehalten. Da sollten Sie schon Gleiches mit Gleichem vergelten.«
»Ich wollte nicht unhöflich sein.«
»Und ich mich nicht in Ihre Angelegenheiten einmischen«, gab der Architekt zurück, um jedes Missverständnis auszuschließen. »Wer immer diese Fotos und Zeichnungen gemacht hat, muss bestens mit den Geheimnissen der Templer vertraut gewesen sein, denn noch nie in all den Jahren, in denen ich mich mit dem Thema beschäftige, habe ich so genaue Berechnungen gesehen. Nicht einmal mir mit meiner großen Erfahrung wäre es möglich, sie vollständig nachzuvollziehen. Ich bin darüber im höchsten Grade verblüfft.«
»Ich werde Ihnen sagen, was ich weiß«, erklärte sich Munárriz bereit. »Wenige Tage vor ihrem Tod hat sich die betreffende Person für die Rosette und die Kragsteine an der Wallfahrtskapelle San Bartolomé interessiert, und ein Priester hat mir deren Hintergrund mit Bezug auf die Templer erläutert. Kennen Sie die Kapelle?«
»Diese Frage meinen Sie nicht ernst«, gab Grau in spöttischem Ton, aber mit unverkennbarem Ärger, zurück. »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich mich bereits seit fünfzig Jahren mit der Sache beschäftige.«
»Schon …«
»Erscheint Ihnen die Parallelität nicht erstaunlich?«, fragte Grau unvermittelt. »Jene Kapelle steht an einer Stelle, die von Kap Creus und Kap Finisterre gleich weit entfernt ist, und auch die Sagrada Familia wurde, wie ich schon sagte, auf einem geodätischen Punkt zwischen den Dolmen von Montjüic und dem Campo del Arpa errichtet, genau in der Mitte zwischen dem Meer und den Bergen. So wie San Bartolomé stellt auch die Sagrada Familia die Jungfrau Maria als Symbol des Grals dar. An beiden Orten konzentrieren sich Energien. Sie haben die Eigenschaft eines omphalos , eines ›Nabels der Welt‹. Zwischen diesen Fotos und dem Besuch der betreffenden Person in San Bartolomé besteht eine augenfällige Beziehung.«
Während Munárriz aufmerksam zuhörte, glaubte er einen Augenblick lang erneut die Stimme des Priesters Ramírez zu hören. Dessen Darlegungen ähnelten
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